2007-08-27

Toby fragt: "Neigen wir zur geistlichen Onanie?"

Toby schreibt:
Manchmal bin ich von mir und meinem Christsein aber auch von Gemeinden, Kirchen und Mitgeschwistern enttäuscht und frustriert. Es scheint nur um das eine zu gehen: Frömmer und besser zu werden und dabei auch noch glücklich und zufrieden zu sein.
Ein lesenswerter Artikel, mit ebenso lesenswerten Kommentaren.

Besonders den Kommentar von Peter zur "pornographischen" Predigt fand ich genial.

Er redet darin von einer übertrieben auf Ideale reduzierten Predigt, die fern von der Realität der Zuhörer ist.
Er schließt:
Der Effekt ist dann auch derselbe: Die tatsächliche Erfahrung (mit dem eigenen Partner beziehungsweise mit den jeweiligen Mitchristen) hält dem Vergleich nicht stand und wird als Enttäuschung wahrgenommen.

2007-08-24

JA-GoDi: Gottesdienst - neutestamentlich (Teil 2)

Elemente des Gottesdienstes

Gebet

In diesem Abschnitt wird anhand der Angabe vieler Verse gezeigt, dass sowohl das Vater-Unser als auch freie und vorformulierte Gebete ständiger Bestandteil der Gottesdienste waren.

Linder stellt anschließend die Frage, welche Rolle das Vater-Unser in unseren Gottesdiensten spielt, und in welchem Verhältnis freie und vorformulierte Gebete zueinander stehen.

Bekenntnis

Linder schließt aus Bibelversen des Paulus, dass die ersten Christen in ihren Gottesdiensten Bekenntnisse zitierten "um sich gegenseitig zu vergewissern, was und woran sie glaubten".

Dazu stellt er die Frage, warum in unseren Gottesdiensten auf das Sprechen eines Glaubensbekenntnisses so gut wie verzichtet wird.

Die Frage scheint durchaus berechtigt, wenn man bedenkt, dass wir zur Zeit in einer Gesellschaft leben, die sich nicht nur von Kirche und Christentum abgewandt hat, sondern deren Inhalte auch gar nicht mehr kennt.

Ein Glaubensbekenntnis -insbesondere eines, welches die Gemeinde als Ganzes sprechen und eben auch inhaltlich nachvollziehen soll- hat aber in der heutigen Zeit der pluralisierenden, tolerierenden Ansichten auch einiges an Brisanz.
Bevor daher auch gerade in Betrachtung auf Jugend ein Glaubensbekenntnis im Gottesdienst gesprochen werden kann, ist dieses erst einmal als gemeinsames Bekenntnis überhaupt zu erarbeiten. Was heißt es im Zeitalter von Aufklärung und Nach-Aufklärung zum Beispiel, von einem "Schöpfer des Himmels und der Erden" zu reden? Ist dies nicht Ausdruck eines längst überholten, hinter uns gelassenen Weltbildes?

Haben wir nicht viele traditionelle christliche Bilder und Vorstellungen der Wirklichkeit eigentlich schon durch modernere ersetzt?

Und erfassen wir und verstehen wir wirklich noch die Aussagen in traditionellen Formulierungen? Was heißt es eigentlich wirklich, dass Jesus "zur Rechten Gottes" sitzt?

Wie also muss ein Glaubensbekenntnis formuliert sein, dass auf das zeitgemäße Wissen um das Wesen des Universums Bezug nimmt und die aus der Sicht des Glaubens wahrgenommene Wirklichkeit nicht gegen die vom Verstand erfaßte Wirklichkeit ausspielt?

Schriftlesung und Predigt

In diesem Abschnitt hebt Linder anhand von Bibelstellen hervor, dass generell die lehrhafte bzw. prophetische Predigt "einen hohen Stellenwert hat und dem Mittelpunkt des Gottesdienstes bildet". Hier fällt auf, dass diese Erläuterung bereits eine Auslegung beinhaltet, da Linder in diesem Zitat in der Gegenwartsform schreibt, wo er vorher eine Vergangenheitsbeschreibung machte.

Interessant ist, dass er in seinem Analysetext fast ausschließlich die Auslegung der gelesenen Texte hervorhebt, im Anschluß die Frage stellt, was es bedeutet, dass heute immer mehr Themenpredigten gehalten werden im Gegensatz zu Textauslegungen, dann aber im Zusatz unter 'Idee' empfiehlt, auf eine Textlesung eine Zeit der Stille folgen zu lassen, damit "Gott durch sein Wort redet (auch ohne Auslegung)".

Das eigenständige Reden des Bibeltextes, ohne viel Worte drumherum, das begegnende Wirken des Wortes, ggf. nicht nur vorgelesen sondern künstlerisch präsentiert durch die Darstellungsweise, ist ein sehr bedenkenswerter Punkt für zeitgenössische Gottesdienste, der in diesem Abschnitt leider sehr im Hintergrund blieb.

Abendmahl

Im letzten Absatz des zweiten Teils führt Linder kurz aus, dass das Abendmahl bei den ersten Christen ein weitaus stärker betontes und wiederkehrendes Element des Gottesdienstes war, und fragt sowohl nach der Bedeutung für uns heute als auch danach, ob es "sinnvoll [ist], es (nur?) einmal im Monat zu feiern".

Schluss

Das Schlusswort Linders besteht im Zitat von G. Carey:
"Der Gottesdienst ist unser Schaufenster für die Welt. Wenn unser Gottesdienst so attraktiv wie inhaltsreich, so fröhlich wie tiefgründig und so wirklichkeitsbezogen wie schriftgemäß ist, wird Gott ihn dazu benutzen, viele Menschen zu sich zu ziehen".

Weise Worte zum Schluss, denen wohl fast jeder zustimmen wird.

Aber mir stellt sich die Frage: Was fange ich damit an?
Schließlich wird keiner der skeletösen Begriffe konkret mit Fleisch versehen. Fängt doch das Problem in Diskussionen um Jugend und Gottesdienst meist schon bei der Frage der Attraktivität an, die wahrscheinlich auch Einfluß auf die ausgedrückte Fröhlichkeit (oder der Fröhlichkeit des Ausdrucks?) haben wird. Und gerade der Wirklichkeitsbezug ist ein umfassend debattierbares Thema in einer pluralistischen Gesellschaft, deren Mitglieder in sehr unterschiedlichen Wirklichkeiten leben.

Die eigentliche Frage also ergibt sich erst: Was bedeuten denn diese genannten Attribute überhaupt für uns? Und wie können und sollen wir diese gestalten und umsetzen?

2007-08-23

JA-GoDi: Gottesdienst - neutestamentlich (Teil 1)

Im ersten Artikel schreibt Lars Linder unter dem Titel "Gottesdienst wurde auch im Neuen Testament gefeiert" über die Art und Weise, wie unsere sonntägliche Versammlung vom Neuen Testament her verstanden werden soll.

Direkt sein erster Satz ist dabei eine sehr interessante Einleitung:
"Wenn wir die neutestamentlichen Bücher lesen, zeigt es sich, dass es nicht eine Form von Gottesdienst gibt, sondern dass die ersten Christen in den verschiedenen Gemeinden unterschiedliche Schwerpunkte setzten." (Unterstreichung im Original)

Dieser Satz macht deutlich, dass es zwar Verbindendes zwischen den Gemeinden sowie ihrem jeweiligen Gottesdienst gibt, aber eben auch Unterscheidendes unter den Gemeinden, welches in der jeweiligen Gottesdienstform seinen Ausdruck findet.

Das Verbindende und Einheit Stiftende soll in dem Artikel herausgearbeitet werden.

Der Artikel teilt sich in zwei Bereiche: Zunächst wird Grundlegendes zum Gottesdienst besprochen, danach auf die Elemente des Gottesdienstes eingegangen. Jeder darunter eingeordnete Abschnitt erläutert zunächst die Aussage der Überschrift und stellt dann eine Anfrage oder eine Idee zum Weiterdenken vor.

Grundlegendes

Gottesdienst wird im Namen Jesu gefeiert

"Jesus ist sozusagen der 'Ausrichter dieser Veranstaltung'". Unter diesem Motto erläutert der erste Abschnitt, was die Einleitungsworte in den Gottesdiensten, die diese in einem besonderen "Namen" beginnen, eigentlich bedeuten, und dass sie mehr sind als eine Floskel. Gott lädt uns ein zu seinem Fest.

Gott ist gegenwärtig

Kurz und knapp wird hier zunächst dargestellt, dass Gott im Gottesdienst da ist. Dabei ist, mitten unter uns.

In der Anfrage übt Linder dann Kritik an Aussagen wie: "Das Musikteam wird uns jetzt in die Gegenwart Gottes führen".
Seiner kritischen Meinung nach klingt dies so, als sollte Gott herbeigesungen oder herbeigerufen werden.
Eine andere Sichtweise, nämlich dass das "in die Gegenwart Gottes führen" vielleicht eher damit zu tun hat, dass wir Menschen, obwohl im Gottesdienst sitzend, einfach nicht 'da' sind, und erst in das Bewußtsein der Anwesenheit Gottes geführt werden müssen, sozusagen 'ankommen' müssen, stellt er leider nicht dar.

Linder beschreibt, dass wir zur Gemeinschaft zwischen Gott und uns selbst nichts beitragen können, und folgert: "damit ist alle religiöse und kultische Leistung hinfällig".
Wobei er Kultus beschreibt als "das Unternehmen des Menschen, sich mit irgendwelchen Verrichtungen, Gebärden oder Dingen in einen Sonderbereich zu begeben, in dem er Gott näher zu sein glaubt und in dem er Gottes Wohlgefallen besitzt oder erwirbt".

Diese Aussage ist sehr empfindlich. Denn das "in einen Sonderbereich begeben" scheint mir eine sehr spezielle Auslegung des Begriffes 'Kult', der eigentlich viel allgemeiner gefasst jegliche rituelle religiöse Handlung beschreibt, z.B. auch unsere Liturgie und Abendmahls- und Taufzeremonien.

So verwirrt es mich als Leser auch etwas, wenn er direkt im Anschluß an diese Aussagen unter dem Punkt Idee empfiehlt, symbolisch eine bzw. drei Kerzen auf den Abendmahlstisch zu stellen, weil diese helfen können, uns die versprochene Gegenwart Gottes vor Augen zu führen.

Kein "Kult" ?


Gottesdienst heißt zu allererst: Gott dient uns

Hier spricht Linder einen wesentlichen Punkt an. "Im Gottesdienst begegnet Gott uns Menschen". Dies ist der wesentliche erste Ausgangspunkt, und erst als Folge daraus ergibt sich: "Und weil Gott uns dient, können wir ihm als Antwort im Alltag dienen".

Hier führt Linder kurz über das Wort "Gottesdienst" als Versammlungsbezeichnung hinaus zum Begriff "Gottesdienst" als christliche Alltagshaltung.

Seine Anfrage ist daher über die Versammlungsthematik hinaus sehr bedenkenswert:
"Wie sind bei uns 'Sonntagsgottesdienst' und 'Gottesdienst im Alltag' verzahnt?"



Gottesdienst wird gemeinsam gefeiert, über alle menschlichen Grenzen hinweg

Linder zeigt hier auf, dass auch die frühen Gemeinden schon das Problem hatten, Christen unterschiedlicher Kulturprägung, Sozialisation und Alter vereinen zu sollen, und führt aus:
"Und die Antwort war nicht, dass zwei verschiedene Gottesdienste eingerichtet wurden". (Unterstreichung im Original)

Die Gottesdienste der ersten Gemeinden waren also auf Einheit der Christen ausgerichtet. Dies mag uns anleiten und eine Richtschnur sein. Andererseits bleibt die Frage, inwieweit dies aus der Zeit der ersten Christen tatsächlich in unsere heutige Kultur transportierbar ist, oder ob Dinge nicht über die Jahrhunderte auch einmal neu durchdacht und verstanden werden müssen und können.

Seine Anfrage lautet:
"Was heißt das für uns heute, wo wir darauf getrimmt werden, für jede Zielgruppe einen Extra-Gottesdienst anzubieten? Wie kann ein Gottesdienst aussehen, wo Alte und Junge, Reiche und Arme, Deutsche und ausländische Mitbürger, Christen und Nichtchristen gemeinsam feiern und gleichermaßen angesprochen werden?"

Linders intensive Betonung des einen Gottesdienstes, seine -in meinen Augen polemische- Ablehnung von Zielgruppen-Gottesdiensten, ist ein wenig verwunderlich in einem Heft, in dem es entsprechend dem Vorwort eben um Jugend-Gottesdienste geht.

Noch eigenartiger klingen diese Worte, wenn ich auf der Homepage der Gemeinde Essen Mitte, in der er seit 2002 Pastor ist, zum Teen-Kreis lese:
"Parallel zum Gemeindegottesdienst am Sonntag um 10.00 Uhr feiert der Teeniekreis einen 'alternativen' Gottesdienst mit 12- bis ca. 17-jährigen Jugendlichen."

Schließlich frage ich mich, ob denn die Dichotomien der Anfrage stimmen. Geht es um "Alt und Jung"? Ist nicht allein die Pluralität der Gruppe "Jung" schon ein Problem?
Macht die kurze und knappe Gegenüberstellung der Dichotomien, die Verknüpfung mit dem Wort 'und' wirklich deutlich, wie groß die Spannung dieser Frage eigentlich ist?


Die ersten Christen besuchten regelmäßig den Gottesdienst

Nach einer ersten Euphorie fand sich ein wöchentlicher Gottesdienstrhythmus ein, und es wurde "gute Gewohnheit" für die Christen, hier auch beständig zu sein.

Hier gibt es keine Anfrage und keine Ideen. Meine Anfrage wäre zum Beispiel, einmal bewußt wahrzunehmen, was diese Forderung in der heutigen Gesellschaft bedeutet, die immer weniger auf die Wahrung des Sonntags rücksicht nimmt. Immer mehr Berufsgruppen oder auch z.B. Fußballvereine stellen die Möglichkeit zur Beständigkeit in Frage.

Auch ist 'Beständigkeit' überhaupt ein großes Problem unserer Kultur, die speziell der jüngeren Generation schon früh vermittelt hat, dass es Beständigkeit nicht gibt, alles im Fluß und Wandel ist, und nur der überlebt, der flexibel und ständig in Bewegung bleibt. Brüchige Familienstrukturen, schulisches Kurssystem anstatt Klassenverbund, große Mobilität im Job, häufig wechselnde Partnerschaften, flexible Arbeitszeiten...

Hier wäre es wichtig, Beständigkeit im Sinne tragfähiger Beziehungen nach außen zu vermitteln, anstatt Beständigkeit als Forderung an den Gottesdienstbesucher zu fordern.


Der Gottesdienst wird von verschiedenen Menschen in einer guten Ordnung gestaltet

Hier stellt Linder dar, dass der Gottesdienst prinzipiell von der Beteiligung aller lebt ("Männer und Frauen gestalten den Gottesdienst durch Gebete und Wortbeiträge mit"), jedoch Ordnung, ein gewisses Maß und ein Zusammenhang dazu gehören.

Bei den Versangaben zu 1. Kor. 14 gibt es hier übrigens eine kleine Lücke, die das problematische "die Frau schweige in der Gemeinde" umschifft.


Der Gottesdienst wurde öffentlich und verständlich gefeiert

Der letzte grundlegende Abschnitt erklärt, dass Gottesdienst eine öffentliche Sache war, und dass daher mit Nicht-Christen als Besuchern gerechnet wurde.

Daher bemühten sich die Gemeinden auch, den Gottesdienst verständlich zu halten, was auch bestimmte Ausdrucksformen betraf.

Auch hier fehlt wieder eine Anfrage. Mir wäre hier wichtig darüber nachzudenken, was denn "verständlich" in der heutigen Zeit heißt, die durch die Aufklärung nicht nur mit unterschiedlichen Glaubensinhalten zu kämpfen hat, wie Paulus, sondern vor allem auch mit dem absoluten Unglauben, mit der Abkehr von allem Transzendenten und Metaphysischen.

2007-08-22

Der Abschreckungsmoment des Christseins

Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, meine jüngste Blog-Begegnung hier mal zu dokumentieren.

Was da in den ersten drei Kommentaren abläuft, ist für mich wirklich unter aller Kanone.

Da erfolgt auf einen kurzen und knappen Blog-Eintrag als Kommentar(!) ein endloser Sermon in Hoch-Kanaanäisch, der vollumfänglich und abschließend das komplette Weltbild des Herrn Peter S. darlegt.

Dann trägt eine Frau auf zugegebenermaßen recht aggresive Art und Weise ihre Verletzung zur Schau, und als Reaktion darauf wird sie von unserem netten und friedliebenden Herrn S. mal schnell aus dem Blog herauskomplimentiert.

Seine Reaktion auf eine "Junge unbekannte Geschädigte" (wie ist diese Attributierung wohl zu verstehen?), die "den Frieden dieser Platform" stört, ist für mich ein Grund, mich von solchen "Christen" fernzuhalten.

Zu oft bin ich in Foren schon auf solche radikalen Brüder gestoßen. Zu oft habe ich mich gegenüber denen, die sie auf diese Weise verletzt haben, dafür schämen müssen, mich Christ zu nennen.

Wo mit biblischen Floskeln derart um sich geschlagen wird, um der Welt die "Wahrheit" sozusagen einzutrichtern, wo in solch radikaler und zerstörerischer Form Grenzen aufgebaut werden anstatt Brücken zu bauen, wo Verletzungen nicht ausgehalten und behandelt werden, sondern noch in die bereits offene Wunde gestochen wird, da ziehe auch ich mich vom Christentum zurück.

Möge der werte Herr S. ruhig weiter auf seiner friedvollen Spielwiese herumliegen und vielleicht eines Tages feststellen, dass er dort ganz allein ist, weil nicht nur die Andersdenkenden sondern auch seine eigenen Glaubensgeschwister sicherheitshalber den Rückzug angetreten und das Weite gesucht haben.

Ganz ernsthaft, Herr S. : Mir treibt dieses Verhalten die Tränen in die Augen.

Schlimm ist noch, dass soweit ich sehen kann, es nicht einmal die Spielwiese des Herrn S. ist, denn er ist dort nicht als Autor gelistet.
Ich kenne Theolounge noch nicht lange, und hatte es eigentlich in meinen Relevants eingeordnet.
Sollte dies wirklich die Spielwiese des Herrn S. sein, bin ich schleunigst da weg.

2007-08-21

JA-GoDi: Jahresaufgabe - Vorwort zu den Materialien

Im Vorwort führt Volker Muhlack in das Material ein und erläutert den Grund für die Herausgabe des Materials als "Jahresaufgabe" damit, "weil das Thema es erfordert!"

Damit scheint er mir als Jugendreferent deutlich machen zu wollen, dass das Thema Gottesdienst in Verbindung mit Jugendarbeit ein heikles Thema ist, dass besonderer Beachtung verdient und allgemein als nicht unproblematisch gesehen wird, um es einmal so auszudrücken.

Er beschreibt, dass der Trend zu Jugendgottesdiensten kofessionsübergreifend zu beobachten ist, und Jugendgottesdienste zu einem wichtigen Baustein in sehr vielen Gemeinden geworden sind.

Muhlack spricht den Leser mit "Du" an und steigt damit ein, dass das Heft "Hilfestellung zum praktischen Gestalten von Jugendgottesdiensten" geben will. Dadurch wendet er sich prinzipiell an den jugendlichen Leser, also die Zielgruppe der Jugendarbeit und auch der Jugendgottesdienste. Weiterhin leitet er in die Inhalte des Heftes ein, bis er schließlich erklärt: "Das Ziel sind nicht fehlerfreie, klinisch reine, perfekt gestylte Gottesdienstevents, sondern Dein bewusstes Miterleben und Mitgestalten von Gottesdiensten".

Insgesamt soll das Vorwort den jugendlichen Leser zu einer intensiven Beschäftigung nicht nur mit der Form sondern auch mit dem Gehalt und dem Fundament von Gottesdiensten motivieren, bis hin zu der Aussage: "Und wir wollen Mut zu einem gottesdienstlichen Lebensalltag machen".

Mit diesem Vorwort soll in der Jugendarbeit eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Gottesdienst angeregt werden, und der einzelne Leser dazu motiviert werden, Gottesdienst für sich selbst als Lebensthema zu erobern.

Nicht weiter ausgeführt hat Muhlack jedoch, wieso denn seiner Meinung nach das Thema "es erfordert", in besonderer Weise auf den Tisch gebracht zu werden.

Man kann erahnen, dass es darum gehen könnte, dass immer weniger Jugendliche den "klassischen" Gottesdienst besuchen und somit gottesdienstlicher Erfahrung fernbleiben. Jugend soll somit nicht nur das Gottesdienst Feiern wieder schmackhaft (weil bedeutsam) gemacht werden, sondern auch Mut gemacht werden, ihren Gottesdienst, Jugendgottesdienst, zu feiern. Mit entsprechendem Ernst und Tiefgang.

Man kann auch erahnen, dass möglicherweise Jugendgottesdienste zwar engagiert ins Leben gerufen wurden, aber weitere Hilfestellung notwendig ist, damit die Veranstalter dieser JuGos verstehen, was sie da eigentlich tun.

Kann man auch erahnen, dass möglicherweise das Thema Jugend-Gottesdienst noch weitaus mehr Brisanz hat, als aus den Zeilen Muhlacks hervorgeht? Schließlich ist die Einrichtung eines eigenen Gottesdienstes für eine spezielle Zielgruppe gerade in den oftmals nicht allzu großen Freien evangelischen Gemeinden auch über den Jugendbereich hinaus ein Diskussionsthema der Gemeinde.

JA-GoDi: Jahresaufgabe 2006: "Gottesdienst"

Aus einem gewissen aktuellen Anlass heraus habe ich mich entschlossen, eine neue Serie zu beginnen, und zwar zur "Jahresaufgabe Gottesdienst" , die die Jugend- und Teenagerarbeit des Bundes Freier evangelischer Gemeinden im Jahr 2006 herausgebracht hat.

Dabei handelt es sich um eine Materialsammlung, in der Artikel zum Thema Gottesdienst sowohl biblische Grundlagen als auch Überlegungen zu diversen Zugangswegen und Umgangsformen mit dem Thema, und schließlich auch praktische Hinweise zu Gestaltung, Predigt und Technik behandeln.

In dem Heft werden Artikel verschiedener Autoren des Bundes FeG nebeneinandergestellt, ohne einerseits auf einen gemeinsamen Konsenz zu beharren oder andererseits in einen Dialog zu treten. Der Dialog soll im Kopf des Lesers bzw. in Jugend- und Arbeitsgruppen in den Gemeinden stattfinden, das Heft will erarbeitet werden. Daher wohl auch der Titel "Jahresaufgabe", ein Konzept, welches wohl zehn Jahre zuvor zuletzt verwendet wurde.

In dieser Blogpost-Serie möchte ich die praxisorientierten Artikel ignorieren und mich mit den grundsatzbezogenen Artikeln auseinandersetzen.

Dabei dokumentiere ich natürlicherweise nur meine subjektive und selektive Wahrnehmung der Thematik und der Artikel.

Zunächst möchte ich den einzelnen Artikeln lediglich jeweils einen eigenen Post widmen. Möglicherweise werde ich noch weitere Posts ergänzen, in denen ich weiterführende Gedanken und dialogisches zu den Artikeln festhalten werde.

2007-08-20

RoF (3): Quantenphysik I


Anfang des 19. Jahrhunderts erregte Marquis de Laplace die Gemüter durch seine Aussage, das Universum sei vollständig determiniert. Würde man nur vollständig einen Zustand des Universums zum Zeitpunkt
t bestimmen können, könne sich der Zustand des Universums zum Zeitpunkt t+1 errechnen lassen.

Diese Behauptung hat die Gemüter so stark erregt, da durch sie ein in das Weltgeschehen eingreifender Gott sowie auch ein freier Wille des Menschen völlig undenkbar waren. Zwar hätte es aus menschlicher Sicht noch so etwas wie "Zufälle", unerwartete Ereignisse, geben können, dies wäre jedoch nur auf das beschränkte Wissen des Menschen um die Daten eines Zustandes zurückzuführen. Letztlich wäre bei genügender Kenntnis auch das Verhalten eines Menschen vollständig vorherbestimmbar.

Letztlich war diese Ansicht nichts neues, war doch zu diesem Problem schon Sir Isaac Newton bei seiner Darstellung des Zeit- und Raumbegriffes gekommen. Einer Auffassung, die über 200 Jahre lang unser Verständnis der Welt um uns herum prägte und vom Inhalt her prinzipiell die erste Störung im Verhältnis von Kirche und Naturwissenschaften war, weit tiefgreifender als der Beweis des heliozentrischen Weltbildes durch Galilei.

Zwar fand man im Laufe der Zeit zu einer Kompromisslösung, eine Art "Koexistenzvertrag", in dem Wissenschaft und Religion die Grenzen ihrer jeweiligen Schaffensbereiche absteckten. Dennoch gab es immer wieder Übergriffe, wo Vertreter einer Richtung Aussagen über die jeweils andere Richtung zu machen versuchten. Sichtbar wurde dies insbesondere immer wieder beim Thema Schöpfung vs. Evolution.

Gerade die Teilchenphysik verstand sich selbst immer als die Königsdisziplin aller Wissenschaften, zeigte sie mit ihren Ergebnissen doch die Grundlage auf, unter der die anderen Naturwissenschaften funktionierten: Das wahre Wesen der Elemente von Chemie und Biologie. Selbst die Kosmologie, die sich auf die Suche nach dem Ursprung des Universums aufmachte, war letztlich an die Teilchenphysik bei der Frage der Entstehung der Elemente gebunden.
Auch auf andere Wissenschaften übte die Physik Einfluss aus, war sie doch
das Paradebeispiel für Erkenntnisgewinn über das Wesen des Universums.

Da ihre Methodik sowie ihre Erkenntnisse so hoch gewertet wurden, war es kein Wunder, dass sie schließlich auch bestimmend für das Weltbild des modernen, aufgeklärten Menschen wurde. Der Materialismus hat daher seine Wurzeln in der Physik, und hat sein Weltverständnis auf das Messbare, Mechanische, Prozedurale, Phänomenale aufgebaut. Alles schien letztlich irgendwann erklärbar und sogar berechenbar. Die Welt und sogar der Mensch selbst wurden zu einer komplexen Maschine, ein Jenseits, gar noch eine Intervention einer göttlichen Macht schien dem Denken von weltfremden unaufgeklärten Religionsfanatikern vorbehalten.

Mit dem Übergang zur Quantenmechanik bekam das mechanistische Weltbild plötzlich einen Riss. Der Beobachtbarkeit -und damit auch der Determiniertheit/Berechenbarkeit- war plötzlich eine Grenze gesetzt. Zwei Dinge sind dafür verantwortlich

  1. Das Element der Exaktheit musste durch das Element der Wahrscheinlichkeit ersetzt werden.
  2. Die Modelle, mit denen die Wissenschaftler lange Zeit gearbeitet hatten, schienen mehr denn je nur Modelle zu sein: Gut genug, um damit zu arbeiten, aber immer mehr davon entfernt, der Wirklichkeit tatsächlich zu entsprechen.

Der entdeckte Welle-Teilchen Dualismus im Zusammenhang mit der Unbestimmtheitsrelation stellte nicht nur die vorherige Eindeutigkeit des Weltbildes in Frage (etwas ist eine Welle
oder etwas ist ein Teilchen), sondern es wurde deutlich, dass letztlich sowohl Welle als auch Teilchen nur Denkwerkzeuge, nur Hilfskonstrukte einer Wirklichkeit sind, die die tatsächliche Vorstellbarkeit bereits überschritten hatte. Kwiat, Weinfurter und Zeilinger deuten dies an, wenn sie schreiben: "Die intuitiver Einsicht widerstrebenden Phänomene der Quantenwelt strapazieren auch das Vorstellungsvermögen von uns Physikern" (Spektrum der Wissenschaft, Digest-ND 3/2003: Quantenphänomene, S. 26)

(Siehe dazu auch: Stephen Hawking - "Eine kleine Geschichte der Zeit", Kap.4
Die Unschärferelation)

Zwar lehnte der Wissenschaftler Einstein die Unschärferelation mit den Worten ab: "Gott würfelt nicht", doch war ihm wohl an der Stelle nicht klar, dass es im Gespräch um Gott wohl noch weniger möglich war, zum alten Laplace'schen Determinismus zurückzukehren, als einmal mit dem Gedanken zu spielen, dass Gott als Herr über das Universum wohl auch Herr über die Wahrscheinlichkeiten und deren smarte Anwendung sein könnte, und dass es eine noch nicht entdeckte und vielleicht gar nicht entdeckbare Wirklichkeit jenseits der durch eben diesen Dualismus gesteckten Erkenntnisgrenzen geben könnte.

Dieser Anspruch an die Wissenschaft, ihr bisher gelehrtes Weltbild zu überdenken, führte dazu, dass sich zum einen die Religionen wieder ins Gespräch einmischten, und zum anderen die Wissenschaftler es nicht mehr vermeiden konnten, über eine metaphysische Wirklichkeit oder sogar einen Gott zumindest nachzudenken (vgl. dazu Stephen Hawking - "Eine kleine Geschichte der Zeit", Kap. 8
Ursprung und Schicksal des Universums oder Steven Weinberg - "Der Traum von der Einheit des Universums", Kap XI Die Frage nach Gott)

Mehr noch, die Diskussion darum war wieder eröffnet. Und so hören wir nun auch Quantenphysiker wie Hans-Peter Dürr, die uns die Welt des kleinsten Seins in metaphern beschreiben, die religiöse Anklänge haben. So antwortet Dürr in einem PM-Interviewartikel auf die Frage ob er an ein Jenseits, eine Existenz nach dem Tode glaube:

"Was wir Diesseits nennen, ist ja eigentlich die Schlacke, die Materie, also das, was greifbar ist.
Das Jenseits ist alles Übrige, die umfassende Wirklichkeit, das viel Größere. Das, worin das Diesseits eingebettet ist. Insofern ist auch unser gegenwärtiges Leben bereits vom Jenseits umfangen. Wenn ich mir also vorstelle, dass ich während meines diesseitigen Lebens nicht nur meine eigene kleine Festplatte beschrieben habe, sondern immer auch etwas in diesen geistigen Quantenfeldern abgespeichert habe, gewissermaßen im großen Internet der Wirklichkeit, dann geht dies ja mit meinem körperlichen Tod nicht verloren. In jedem Gespräch, das ich mit Menschen führe, werde ich zugleich Teil eines größeren geistigen Ganzen. In dem Maße, wie ich immer auch ein Du war, bin ich, wie alles andere auch, unsterblich."
(P.M. Mai 2007 : "Am Anfang war der Quantengeist").

Wie viel Religiöses doch in diesen Worten anklingt ...

2007-08-17

Emergent Deutschland: Deutsche EmCh-ler formieren Netzwerk

Schrieb ich gestern noch in einem Kommentar:

Sucht man im deutschen Web nach "Emergent Church", so stößt man entweder auf zentrale Blogs/Seiten, die in sehr geringer Frequenz aktualisiert werden (und daher keine Diskussion, keinen Dialog zur EmCh wirklich aufbauen), oder aber auf "Hauptakteure", dessen Blogs sich aber nicht zentral um das Thema, sondern mehr um die Personen selbst drehen. Diskussionen sind dort sehr intensiv und interessant, aber eben nur vorhanden, weil sie eben auch in einer EmCh zu Hause sind.

Letztlich wühlt man so sinnvollerweise durch jedermanns Seiten, der das Stichwort listet.
ist diese Aussage wohl heute schon überholt.

Denn einige der "Hauptakteure" haben sich zu einem Netzwerk namens "Emergent Deutschland" zusammengeschlossen, und die Site dazu veröffentlicht:

Emergent Deutschland

Ich bin gespannt, was sich dort entwickeln wird!

2007-08-16

Das 1x1 der Emerging Church (Fabian Vogt)

Dosi hat in seinem Blog ein Review des Buches "1x1 der EmergingChurch" von Fabian Vogt geschrieben, und dazu einige Kommentare geerntet.

Da ich das Buch selbst in meiner Input-Liste habe, aber selbst kein Mitglied einer "Emerging Church" bin, möchte ich die Kommentare hier kurz aus einer anderen Perspektive beleuchten.

Hintergrund

Als ich vor einiger Zeit auf den Begriff "Emerging Church" aufmerksam gemacht wurde, war -für mich ganz natürlich- der erste Schritt, danach zu googlen. Das war umso natürlicher, als die Emerging Conversation selbst darauf hinweist, dass vieles in Blogs diskutiert wird.

Das Bild, dass ich von diesem Begriff gewann, war wie eine wissenschaftliche Forschung. Immer wenn ich neue -teilweise radikal neue- Eindrücke gewann, taten sich neue Fragen auf. Daher habe ich gelernt, bei allen Aussagen, die eine Person zur Emerging Church macht, im Geiste hinzuzufügen: "so wie der Autor es sieht/versteht".

Um nun mit Anderen in einer klassischen Gemeinde über Emerging Church reden zu können, ist das nicht sehr hilfreich. Da ich an anderen Stellen gerne auch mal ein Buch weitergebe und mein Gegenüber zu lesen auffordere, wollte ich das auch hier gerne tun. Leider gibt es da zwei Hindernisse:
  • Es gibt noch nicht viel Literatur in deutsch.
  • Nicht jeder liest gern auf Anhieb umfangreiche Werke, die ihm ein Rover in die Hand drückt ;-)
Zum Buch

Hier ist das genannte Buch "Das 1x1 der Emerging Church" eine Hilfe. Klein und kompakt gibt es einen ersten brauchbaren Einstieg in die Thematik, vor allem -wie DoSi auch schreibt- , weil es nicht den Eindruck hinterlässt, dass es sich dabei um ein Gottesdienstmodell handelt.
Dies ist nämlich meines Erachtens eine kleine Schwäche an dem wohl als erstes in deutsch übersetzten Buch von Dan Kimball "Emerging Church" .

Zu den Kommentaren

Das Buch versteht sich selbst als "Einladungskarte" (deswegen auch der eigenartige Querdruck). Und mehr als eine Einladung kann es in dem geringen Umfang auch nicht sein.
Für jemanden in einer klassischen Gemeinde, der die Emerging Church als Begriff gar nicht kennt, ist dieses Buch tatsächlich eine Einladung, seinen Denkhorizont zu erweitern und dem Begriff weiter nachzugehen.

Forderungen, dass in einem solchen Buch mit einem solchen Umfang auch der philosophische und literaturwissenschaftliche Hintergrund dargestellt werden soll, oder die "Dekonstruktion der eigenen Wahrnehmung" in der Emering Conversation dargestellt werden soll, wie z.B. Onkel Toby es fordert, ist dem üblichen Leser, der als Mitarbeiter einer klassischen Gemeinde das Buch für kleines Geld vom dortigen Büchertisch mitnimmt, sicher zu hoch. Besonders in der Einstiegsphase, die dieses 1x1 zunächst einmal leisten will.

Wer beim Vermitteln eines 1x1 verlangt, dass es dem Schüler die Berechnung der Planetenbahnen ermöglicht, überfordert ohne Frage.


Onkel Toby hat übrigens selbst ein Review auf seinem Blog gepostet.

Besonders beachten möchte ich dabei die Punkte 3., 4. und 5.
Es ist interessant, dass Onkel Toby in diesen Punkten kritisiert, dass so vieles von Vogt in diesem Buch nicht genannt wurde, in den Kommentaren bei DoSi jedoch auf den Literaturzugang Derrida's hinweist.

Meiner Ansicht nach steckt gerade in dem, was das Buch an offenen Fragen und nicht behandelten Punkten beim Leser stehen lässt, die Stärke.

Die in den Punkten 4. und 5. kritisierten Nicht-Behandlungen zwingen den Leser, diesen Punkten selbst nachzuforschen. Das Buch gibt hier keine Antworten, sondern den Weg der Fragen vor. Das aber ist genau das, was in meinen Augen der Begriff Emerging Church für einen Lesen in einer klassischen Gemeinde ausmacht: Aus dem eigenen Kontext heraus diesen Fragen weiter nachzugehen und seine Antworten selbst zu entdecken.
Emerging Church ist nun einmal unter anderem auch genau das: Wandlung und Veränderung eines vorhandenen Kirchenkontextes.

Aus dem gleichen Grunde finde ich den kritisierten Mangel an Links nicht falsch.

Onkel Toby schreibt:
Soweit ich sehe, wird das Internet ein einziges Mal erwähnt.; Blogs existieren für Vogt überhaupt nicht. Das ist für eine "Bewegung" deren Hauptakteure alle blogs haben und deren Diskussion zu einem grossen Teil eben dort stattfindet, wirklich bizarr. Ich sehe durchaus eine gegenseitige Befruchtung von EmCh und vielem, was unter "web 2.0" subsummiert wird. Darauf nicht im geringsten einzugehen halte ich für eine grobe Unterlassung.
Ganz im Gegenteil dazu scheint mir genau in dieser Unterlassung eine absolute Stärke zu liegen.

Es ist eben genau "moderner" Schreibstil, mit Quellenangaben und Verweisen hausieren zu gehen. Welche Links will man aber in einem gedruckten Werk zur Emerging Church publizieren?
Jede Auswahl würde dazu führen, dass diese als zu einseitig kritisiert würde, oder dass sie den Weg des Lesers schon fest vorgeben würde. Wenn Emerging Church kein fest definierter Begriff ist und viele darunter etwas anderes verstehen, wäre jegliche Vorgabe falsch.
Auch ist das Internet in stetigem Wandel. Was heute interessant ist, ist morgen veraltet. Ist ein bestimmtes Blog relevant für den Begriff Emerging Church? Oder sind es nur bestimmte Beiträge, den der Blogger zu einem Zeitpunkt seines Lebens dort hinterlegt hat?
Was ist, wenn morgen etliche neue Blogger auf den Plan treten, die plötzlich als "Hauptakteure" gelten?
Welche Blogs soll man auch als Links in einem deutschen Buch anbieten?
Die englischsprachigen der Kernautoren?
Soll Onkel Toby's Blog in dem Buch gelistet werden?
Wer sind die Hauptakteure in Deutschland?

Widerspricht der Begriff "Hauptakteur" denn nicht dem postmodernen Selbstverständnis der Emerging Church sowieso irgendwie?

Onkel Toby weist in seinem Kritikpunkt auf "Web 2.0" hin, aber ein wesentlicher Punkt davon ist ja genau die Anwendung von Suchmaschinen. Geht der Leser des 1x1 aber hin, und wendet diese an, hat er zwei Möglichkeiten:
  • Er gibt "Emerging Church" in Google ein, und wird auf eine Masse an Links stoßen, die er nach eigenem Ermessen öffnen, lesen und den darin angegebenen Links nachfolgen wird.
  • Oder er gibt "Fabian Vogt" in Google ein, und landet unter anderem auf genau den Rezensionen von DoSi und Onkel Toby und deren Kommentaren, die ich hier gerade bespreche (und übrigens wahrscheinlich sogar auf genau diesen Beitrag hier). Dadurch bekommt er aber einen breiten Hintergrund über genau die offenen Fragen, die gemäß Onkel Toby's Kritik nicht erwähnt werden.

Tatsächlich verläuft sich die weitere Kommentar-Diskussion an DoSi's Eintrag in theologischen Debatten, und tatsächlich wird der, der per Suchmaschine auf die Rezension stößt, somit auch genau auf diese geleitet. Das Buch hat damit, gerade weil es im Web rezensiert und kritisiert wurde, aber keine strikten Vorgaben für den Einstieg in das Web macht, sein Ziel erreicht.

Exakt das ist Web 2.0 !

2007-08-10

Der Dialog als Kommunikationsmöglichkeit

Auf Emergentes Gedankengut befindet sich ein neuer Artikel mit dem Titel "Der Dialog als Kommunikationsmöglichkeit" von Daggi Begemann.

Dieser Artikel spricht mich irgendwie an, denn ich finde darin genau die Dinge beschrieben, über die ich mich nach einem Gespräch oft bei mir selber ärgere:
In solchen Situationen bin ich versucht, die Rolle des Lernenden zu verlassen, um meine eigene Position zu sichern. Diese Reaktion entsteht, weil Menschen dazu neigen, sich mit ihren Meinungen identifizieren. Sie erleben sie als absolute Wahrheiten erleben und verteidigen sie mit starken Gefühlsreaktionen.
Ja, starke Gefühlsreaktionen. Die kenne ich nur zu gut.

Ich kann mich in Gesprächen kräftig "echauffieren", aufheizen, reinsteigern. Dann lasse ich den anderen gar nicht erst ausreden, wenn seine Argumentation ja schon im Ansatz den Denkfehler erkennen lässt. Seine weiteren Ausführungen wären ja auch nur Zeitverschwendung. Gar nicht erst den falschen Denkweg beschreiten lassen.

Oder ich werde sehr "engagiert" in meiner Rede, wenn ich das Gefühl habe, dass der Andere meine Argumentationslinie nicht erkennt, die Gedankenansätze, die dahinterstehen, nicht nachvollzieht. Unverständnis wird mit mehr Energie beim Sprechen begegnet.

Und wie sehr ärgere ich mich jedes mal, wenn sich nach einem Gespräch herausstellt, dass ich tatsächlich recht hatte, meine Ansicht und Theorie stimmte, ich dann aber -mich selbst aus der Vogelperspektive betrachtend- erkenne, mit welchen Mitteln ich das Gespräch geführt habe.

Etwas verzweifelt und neidisch denke ich dann an diejenigen, die ich in Gesprächen immer als ruhig und sachlich erlebe, die mir das Gefühl geben, mir wird zugehört. Die mir den Eindruck vermitteln, mich erst einmal verstehen zu wollen, bevor sie eine Antwort formulieren. Die mir die Zeit lassen, ihren Gedanken zu begegnen, auch wenn dies aufgrund meiner Sturheit oder Befangenheit mehr Zeit erfordert, als eigentlich nötig.

Und dabei ist mir doch genau das so wichtig:
Wenn alle Teilnehmer an einem Dialogprozess gemeinsam lernen, auf diese Weise zuzuhören und sich mitzuteilen, dann schaffen sie einen Raum für zwischenmenschliche Begegnung, der jenseits einengender Meinungsfronten liegt, und es entsteht der freie Sinnfluss zwischen Menschen, der ein neues Denken ermöglicht.
An dieser Stelle muss ich noch lernen, muss bewußt diese Haltung üben. Das erkläre ich nun als mein Ziel.

Jak. 1, 19: Ihr sollt wissen, meine lieben Brüder: ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.

2007-08-09

Relativität des Glaubens (2) - "Mir tut mein Glauben gut"?

"Mir tut mein Glauben gut, ich fühle mich wohl, wenn ich bete".

In meinem ersten Post zum Thema "Relativität des Glaubens" bin ich darauf eingegangen, dass jemand, der an etwas glaubt und daraus auch Kraft zieht, nicht gleichzeitig glauben kann, dass es eigentlich egal ist, woran ein Mensch glaubt.

Ebenfalls in diesem Post tauchte auch die Meinung auf, dass es nur darauf ankomme, ob man sich mit seinem Glauben wohl fühle, ob es einem gut dabei gehe.

Der Vertreter dieser Meinung -ich hatte ihn Axel genannt- gab an, er würde an "Gott" glauben.

Im diesem ersten Post habe ich bereits gefolgert, dass Axel eigentlich gar nicht wirklich an die Existenz dieses Gottes glaubt, denn sonst könne er nicht gleichzeitig davon ausgehen, dass es völlig irrelevant ist, ob andere ebenfalls an ihn glauben oder an etwas anderes.

Hier nun möchte ich einen weiteren Aspekt ansprechen:

Axel spricht davon, dass es "ihm einfach gut tut" wenn er betet, das würde ihm helfen, und nur das sei wesentlich.

Auch hier zeigt sich, dass Axel eigentlich gar nicht an "Gott" glaubt, obwohl er dies behauptet, weil auch diese Aussage nicht schlüssig sondern inkonsequent ist.

  1. Axel geht davon aus, dass die einzige Bedeutung für seinen Glauben sein eigenes Wohlbefinden ist. Es tut ihm gut, wenn es ihm schlecht geht, zu "Gott" zu beten.
  2. Axel beschreibt, dass ihm "dies hilft". Das heißt offensichtlich aber nur, dass er sich dadurch besser fühlt, dass seine Gemütslage sich also verbessert hat.
  3. Das Gebet wird damit zu einem Selbstzweck, zu einer Aktion zur Verbesserung der eigenen Befindlichkeit, nicht anders als regelmäßige Turnübungen oder zur Not die Reha nach einem Unfall.
  4. Axel hat aber nicht davon gesprochen, dass er von dem "Gott", an den er sich gewendet hat, tatsächlich eine Hilfe erwartet, in dem Sinne, dass dieser in sein Leben aktiv eingreift. Schon gar nicht kann Axel mit dieser Einstellung für andere Menschen bitten, beispielsweise für einen kranken Freund.
  5. Eine "Gottheit" aber, von der ich gar keine aktive Hilfe erwarte, ist tatsächlich irrelevant und austauschbar. In diesem Sinne ist wirklich egal an was man glaubt, denn eine konkrete Antwort auf Gebet und Glauben erwartet man weder von den Glaubensinhalten der anderen Menschen, noch vom eigenen "Gott".
Die Tatsache, einen "Gott" zu postulieren und sogar zu ihm zu beten, gleichzeitig aber dessen Relevanz oder gar Existenz durch die Relativierung des Glaubens in der o.g. Art zu leugnen, ist für mich paradox.

Mir ist ziemlich rätselhaft, wie man bei vollem Bewußstsein einen solchen schizophrenen Glauben aufrecht erhalten kann.

Zum Verständnis bleiben mir letztlich nur zwei Punkte, die diese Einstellung aufrecht erhalten:
  1. Eben nunmal die Erfahrung, dass das Beten zu diesem "Gott" irgendwie gut tut. (Interessant ist, wieso Axel nicht von selbst auf die Idee kommt, es könne sich möglicherweise um einen psychologischen Effekt und Selbstbetrug handeln)
  2. Dieser "Gott", der zwar "gut tut" aber nicht wirklich antwortet, diese Strohpuppe, hat durchaus einen nicht zu verachtenden Vorteil: Sie ist anspruchslos.
Dieser Gott kommt in keinster Weise auf die Idee, mir irgendwie in mein Leben hineinreden zu wollen. Er macht mir kein schlechtes Gewissen, zwingt mich nicht, irgendwelche peinlichen Dinge zu tun und beansprucht vor allen Dingen auch keine Zeit.

Er ist der Dschinn aus der Flasche.

Auch in dieser Hinsicht ist der Glaube von Axel also jeglichen Inhaltes beraubt.

Was ich persönlich an dieser Stelle sehr schade finde ist, dass ein solcher "Glaube" aus Prinzip schon fertig ist. Selbstgenügsam, anspruchslos und inhaltsleer, stellt ein solcher Glaube keine Herausforderung mehr dar, treibt keine persönliche Entwicklung mehr voran.
Eine Suche nach tiefergehender Wahrheit, ein Streben den geglaubten Inhalten entgegen, findet nicht mehr statt.

Im vorhergehenden ersten Post zum Thema schrieb ich:

Wenn ich aber auf der Suche nach diesem Etwas bin, oder nach der Antwort auf das Warum, dann setzt das voraus, dass ich von der Existenz dieses Etwas und des Warum prinzipiell erst einmal ausgehe.

Dann gibt es aber keinen Glauben ohne Inhalt, denn das ist der Inhalt.
In diesem Sinne ist nicht egal, was ich glaube und was andere glauben, weil der Glaube prinzipiell nur dann in die richtige Richtung weist, solange ich mich dabei tatsächlich diesem Etwas annähere und mich auf die Antwort des Warum tatsächlich zubewege.

Glaube ist somit nie etwas Statisches, Fertiges, sondern immer ein Streben nach etwas.
Ein Weg, ein Prozess, ein Fortschreiten.
Glaube, der stehen bleibt, verdorrt und stirbt.

2007-08-08

Relativität des Glaubens - "Jeder soll glauben, was er möchte"?

"Mir tut mein Glauben gut, ich fühle mich wohl, wenn ich bete".
"Ist doch egal, was man glaubt - Hautpsache man glaubt"

Das Hauptsache-Man-Glaubt-Paradoxon

In einer Online-Diskussion, in der es um das Thema Glauben geht und in dem recht unterschiedliche Leute ihre Glaubensansätze vorstellen, wurde ich neulich mit der heutzutage öfter zu hörenden Meinung konfrontiert, dass jeder ruhig glauben soll, was er möchte, wenn ihm denn sein Glaube gut tut, er sich damit wohl fühlt.
Derjenige, der dies mitteilte, betete selbst zu Gott - zumindest zu dem, was er sich darunter vorstellte- und hatte die Erfahrung gemacht, dass er sich dadurch wohlfühlte.
Nennen wir ihn hier einmal Axel.

Obwohl ich schon vorher gehört habe, dass diese Ansicht heutzutage oft vertreten wird, hat sie mich in der laufenden Diskussion ziemlich verwirrt als ich direkt mit ihr konfrontiert wurde, denn sie enthält für mich eine ziemliche Paradoxie:
  1. Axel glaubt selbst an etwas, nämlich an das, was er als "Gott" bezeichnet, und zu dem er betet.
  2. Axel meint, dies täte ihm gut, und wenn jemand anderes z.B. an seinen Toaster glauben würde, dann wäre das auch ok, Hauptsache er glaubt, und es tut ihm gut.
  3. Aus (2.) folgt, dass eigentlich unwesentlich ist, woran man glaubt, solange man nur an irgendetwas glaubt.
  4. Wenn Axel nun also an seinen "Gott" glaubt -nach eigener Aussage in (1.)- aber gleichzeitig behauptet, dass der konkrete jeweilige Glaubensinhalt (gem. 2.) völlig belanglos ist, dann behauptet er also auch, dass sein "Gott", an den er glaubt, völlig belanglos ist.
  5. Daraus folgt, dass er gar nicht mal von der Annahme ausgeht, dass sein "Gott" wirklich existiert und irgendeine Bedeutung für sein Leben hat.
Wie kann Axel aber zu einem Gott beten, vor allen Dingen, wenn es ihm schlecht geht, von dem er gleichzeitig ausgeht, dass es belanglos ist, ob es ihn gibt - dass es ihn wahrscheinlich sogar eher nicht gibt?

Würde Axel nämlich davon ausgehen, dass sein "Gott" existiert, dann stieße er auf folgendes Problem:
  1. Wenn ich davon ausgehe, dass mein "Gott" wirklich existiert, dann existiert er außerhalb meiner selbst (eine Annahme) oder aber gleichermaßen wie in mir auch in jedem anderen Menschen (andere Annahme).
  2. Dann existiert er aber auch unabhängig von mir als Individuum, und ich muss davon ausgehen, dass er somit auch genauso wirklich in Bezug auf andere Menschen existiert, d.h. aus Sicht dieses "Gottes" steht er nicht nur mir, sondern der gesamten Menschheit gegenüber.
  3. Mein "Gott" existiert dann nicht ausschließlich für mich, und er hat dann wohl wahrscheinlich nicht nur ausschließlich Interesse an mir, denn das anzunehmen wäre überaus arrogant.
  4. Dann wäre es aber nicht bedeutungslos, ob andere Menschen an diesen Gott glauben und zu ihm beten, oder z.B. zu einem Toaster. Denn wenn sie nicht an diesen Gott glauben und nicht zu ihm beten, leben sie an der Wirklichkeit vorbei, von der ich aber ausgehe, dass sie existiert und von Bedeutung ist. Sie verpassen demnach -aus meiner Sicht- ein wesentliches Element der Wirklichkeit.
  5. Das wiederum kann mir zwar moralisch gleichgültig sein (sozusagen: sollen sie doch zur Hölle gehen), aber ich kann logisch nicht mehr von der Gleichwertigkeit der Glaubensinhalte ausgehen, wie es das "egal was man glaubt" zunächst vorausgesetzt hat.
Axel kann also nicht wirklich von der Existenz seines "Gottes" ausgehen.
Der Inhalt des Glaubens -jeglichen Glaubens- wird also zwangsläufig als völlig irrelevant erklärt. Glaube wird jeglichen Inhaltes beraubt, denn kein Glaubensinhalt, nicht mal Axels eigener, kann so als wahr und gültig dargestellt werden. (*)

Die Antwort steckt wohl in dem Zusatz: "Hauptsache ist doch, man glaubt", wozu Axel wahrscheinlich dann mit denselbigen zuckt.

"Die Kraft kommt aus dem Glauben" - ist dann die Aussage, die man dazu zu hören bekommt, und der dann, weil sie so schön spirituell klingt, auch gerne applaudiert wird.

Sie ist letztlich selbst eine Glaubensaussage, und kann auch als solche formuliert werden:
"Ich glaube an die Kraft des Glaubens"

Dies wiederum können wir reduzieren zu: "Ich glaube an den Glauben"

Diese Aussage, im Zusammenhang mit dem darüberliegenden, ist aber in meinen Augen sinnentleert, und hier entsteht meine Verwirrung.

Was ist Glaube?

Ein anderer Diskussionsteilnehmer formlierte die Antwort darauf später so (**)
Der Sinn des Glaubens ist, etwas zu finden, zu erkennen, was mir Halt gibt. Lernen zu verstehen, warum die Dinge sind wie sie sind, warum das Leben genauso ist wie es ist, verstehen zu lernen, dass "alles einen Sinn" hat ........ letztlich zu erkennen, dass da etwas "Größeres" ist, als ich es sehen kann und eben in der Meditation kann ich es finden.
Diese Formulierung, ob man ihr hundertprozentig zustimmt oder nicht, zeigt jedenfalls eines:
Glaube ist eine Suche nach einem Etwas und nach Antworten auf Warum-Fragen.

Wenn ich aber auf der Suche nach diesem Etwas bin, oder nach der Antwort auf das Warum, dann setzt das voraus, dass ich von der Existenz dieses Etwas und des Warum prinzipiell erst einmal ausgehe.

Dann gibt es aber keinen Glauben ohne Inhalt, denn das ist der Inhalt.

Glauben ist also immer eine Menge von Aussagen der Form "Ich glaube an ..."
Glaube ist immer ein Etwas (ein Ding, ein Sachverhalt, eine Wahrheit), an das ich glaube.

"Ich glaube an den Glauben" wird somit zu einer sinnlosen Aussage, denn ich könnte sie ersetzen durch:
"Ich glaube an das, an das ich glaube" oder sogar "Ich glaube daran, dass ich glaube" und wäre keinen Schritt weiter.
Ich stecke in einer Schleife und laufe mich tot. Guten Morgen, es ist Murmeltiertag.

Definieren wir Glauben mal (im Gegensatz zum Vermuten) als das Vertrauen auf etwas oder gar das vertrauensvolle Hinwenden zu etwas, z.B. eine höhere Macht, wird das Ganze noch deutlicher.

Dann folgt aus: "Ich glaube an die Kraft des Glaubens" letztlich "Ich vertraue auf das Vertrauen", und Baron Münchhausen zieht sich also an den eigenen Haaren aus dem Sumpf.

Wo kann ich mich denn festhalten, wenn ich falle? Ach ja, an meinem eigenen Arm.

Die Inhalte - völlig egal?

Auch ein weiterer interessanter Punkt:
In einer Antwort formulierte Axel seine Ansicht noch einmal, ohne besondere Absicht aber mit einem Zusatz:

"Es ist doch egal an was ein Mensch glaubt, solange es ihm gut geht dabei, und er niemanden verletzt." (**)

Hier haben wir auf einmal einen einschränkenden Zusatz: er darf niemanden verletzen.

Wenn es -nach Axels Ansicht- völlig egal ist, woran ich -im Unterschied zu Axel- glaube, dann kann ich auch daran glauben, dass ich jetzt jeden Monat einen Menschen töten muss, wenn ich mich nur wohl dabei fühle.

Nach der ersten Aussage wäre mein Glaube genauso gut wie seiner. Er müsste es also eigentlich tolerieren, wenn ich ihn umbringen wollte. Dieses Problem hat er aber nun plötzlich durch diesen Zusatz ausgeschaltet.

Axel geht also davon aus, dass ein Mensch nicht verletzen darf. Oder anders: Dass dessen Glaube von ihm keine Verletzung fordern darf.

Axel glaubt also, dass es "gut" ist, niemanden zu verletzen. Er glaubt scheinbar an friedliches Miteinander und macht diesen seinen Glauben zur allgemeinen Regel.
Und ganz plötzlich hat Axels Glaube einen Inhalt, von dem er fordert, dass andere Menschen ihn teilen.
Herzlichen Glückwunsch Axel, du hast den kategorischen Imperativ entdeckt!
Plötzlich ist für Axel der Glaubensinhalt nicht mehr egal, und er kann sein eigenes Postulat nicht aufrecht erhalten. Es ist eben nicht egal, woran man glaubt. Es reicht eben nicht aus, dass man selbst sich dabei wohl fühlt.




(*) Dies funktioniert nicht nur für Axels Glaube an "Gott", sondern auch für andere Glaubensinhalte, z.B. den, dass alles, was ich denke und tue in eine universelle "Weltenseele" einfließt und diese formt. Auch dieser Glaube hat zur Folge, dass er nicht nur für mich sondern für alle Menschen relevant ist.
(**) Ich zitiere hier bewußt ohne Quellenangabe, die Aussagen sind aber tatsächlich so gemacht worden und nicht von mir erfunden.

(RoF 2) Reflexions on Faith - ein Nachtrag

In meinem kurzen ersten Post zum Thema Reflexions on Faith habe ich über die Stationen geschrieben, die ich besuchen möchte:

Quantenphysik, Neurobiologie, Materialismus, Bibelkritik.

Ich glaube, dass ich das noch etwas näher erläutern muss.

Es könnte der Eindruck entstehen, ich sei mehrfach promovierter Wissenschaftler, und könnte zu all diesen Themen viele tiefgreifende Erklärungen abgeben :-) .
Ich bin aber weder (Quanten-)Physiker, noch Neurobiologe, noch Professor für Philosophie und auch kein Theologe.

Ich bin lediglich jemand, der schon immer ein starkes Interesse an Wissenschaften hatte, durch den Beruf als Software-Entwickler an logische, schlüssige Konzepte und systematische Problemlösungen gewöhnt ist, und der versucht, seinen Verstand auch beim Thema Glauben nicht auszuschalten.

Schaut man sich die populäre wissenschaftliche Literatur im neuen Millenium an, so fällt auf, dass dort einige spannende Themen der breiten Öffentlichkeit (und damit mir als Normalbürger) zugänglich gemacht wurden, die auch den Glauben berühren. Insbesondere auch neuere Entwicklungen in der Neurobiologie und das auftauchen des neuen Begriffs Neurotheologie in der Öffentlichkeit zwingen mich dazu, in irgend einer Form Stellung zu nehmen. Zumindest soweit, wie ich sie aus meiner Warte eben beurteilen kann.

Genau das soll hier nun passieren. Daher habe ich beschlossen, meinen mentalen Schrank mal weit aufzumachen, und das ganze Zeugs darin auf dem Boden zu verstreuen. Ist der Schrank quasi leer, werden die Sachen einzeln aufgenommen, betrachtet und ordentlich (hoffentlich ;-) ) wieder einsortiert, oder sogar aussortiert. Mal sehen.

Daher wird es wohl auch weniger so sein, dass ich die genannten Themen an sich erklären und erläutern werde, sondern mehr oder minder meine Berührung damit und meine Reaktion darauf.

Diese Art des Umgangs ist natürlich und zwingenderweise subjektiv. Sehr subjektiv. Zudem wird diese Aufräumaktion wohl eine momentane Phase sein, und trotzdem auch kontinuierlich immer wieder notwendig.

Was den wissenschaftlichen oder vernünftigen Zugang zu den Themen angeht, wird auch höchstwahrscheinlich kein riesiges rundes System von Antworten dabei herausspringen, sondern eher nur ein ganz kleines, mit Ecken und Kanten, umgeben von einer Wolke von offenen Fragen.

Aber auch diese Spannung gilt es auszuhalten, was manchen Gläubigen übrigens oft schwerfällt.

Das Thema RoF in diesem Blog ist also mein Umgang mit der von mir empfundenen tatsächlichen oder vermeintlichen kognitiven Dissonanz.