2007-08-20

RoF (3): Quantenphysik I


Anfang des 19. Jahrhunderts erregte Marquis de Laplace die Gemüter durch seine Aussage, das Universum sei vollständig determiniert. Würde man nur vollständig einen Zustand des Universums zum Zeitpunkt
t bestimmen können, könne sich der Zustand des Universums zum Zeitpunkt t+1 errechnen lassen.

Diese Behauptung hat die Gemüter so stark erregt, da durch sie ein in das Weltgeschehen eingreifender Gott sowie auch ein freier Wille des Menschen völlig undenkbar waren. Zwar hätte es aus menschlicher Sicht noch so etwas wie "Zufälle", unerwartete Ereignisse, geben können, dies wäre jedoch nur auf das beschränkte Wissen des Menschen um die Daten eines Zustandes zurückzuführen. Letztlich wäre bei genügender Kenntnis auch das Verhalten eines Menschen vollständig vorherbestimmbar.

Letztlich war diese Ansicht nichts neues, war doch zu diesem Problem schon Sir Isaac Newton bei seiner Darstellung des Zeit- und Raumbegriffes gekommen. Einer Auffassung, die über 200 Jahre lang unser Verständnis der Welt um uns herum prägte und vom Inhalt her prinzipiell die erste Störung im Verhältnis von Kirche und Naturwissenschaften war, weit tiefgreifender als der Beweis des heliozentrischen Weltbildes durch Galilei.

Zwar fand man im Laufe der Zeit zu einer Kompromisslösung, eine Art "Koexistenzvertrag", in dem Wissenschaft und Religion die Grenzen ihrer jeweiligen Schaffensbereiche absteckten. Dennoch gab es immer wieder Übergriffe, wo Vertreter einer Richtung Aussagen über die jeweils andere Richtung zu machen versuchten. Sichtbar wurde dies insbesondere immer wieder beim Thema Schöpfung vs. Evolution.

Gerade die Teilchenphysik verstand sich selbst immer als die Königsdisziplin aller Wissenschaften, zeigte sie mit ihren Ergebnissen doch die Grundlage auf, unter der die anderen Naturwissenschaften funktionierten: Das wahre Wesen der Elemente von Chemie und Biologie. Selbst die Kosmologie, die sich auf die Suche nach dem Ursprung des Universums aufmachte, war letztlich an die Teilchenphysik bei der Frage der Entstehung der Elemente gebunden.
Auch auf andere Wissenschaften übte die Physik Einfluss aus, war sie doch
das Paradebeispiel für Erkenntnisgewinn über das Wesen des Universums.

Da ihre Methodik sowie ihre Erkenntnisse so hoch gewertet wurden, war es kein Wunder, dass sie schließlich auch bestimmend für das Weltbild des modernen, aufgeklärten Menschen wurde. Der Materialismus hat daher seine Wurzeln in der Physik, und hat sein Weltverständnis auf das Messbare, Mechanische, Prozedurale, Phänomenale aufgebaut. Alles schien letztlich irgendwann erklärbar und sogar berechenbar. Die Welt und sogar der Mensch selbst wurden zu einer komplexen Maschine, ein Jenseits, gar noch eine Intervention einer göttlichen Macht schien dem Denken von weltfremden unaufgeklärten Religionsfanatikern vorbehalten.

Mit dem Übergang zur Quantenmechanik bekam das mechanistische Weltbild plötzlich einen Riss. Der Beobachtbarkeit -und damit auch der Determiniertheit/Berechenbarkeit- war plötzlich eine Grenze gesetzt. Zwei Dinge sind dafür verantwortlich

  1. Das Element der Exaktheit musste durch das Element der Wahrscheinlichkeit ersetzt werden.
  2. Die Modelle, mit denen die Wissenschaftler lange Zeit gearbeitet hatten, schienen mehr denn je nur Modelle zu sein: Gut genug, um damit zu arbeiten, aber immer mehr davon entfernt, der Wirklichkeit tatsächlich zu entsprechen.

Der entdeckte Welle-Teilchen Dualismus im Zusammenhang mit der Unbestimmtheitsrelation stellte nicht nur die vorherige Eindeutigkeit des Weltbildes in Frage (etwas ist eine Welle
oder etwas ist ein Teilchen), sondern es wurde deutlich, dass letztlich sowohl Welle als auch Teilchen nur Denkwerkzeuge, nur Hilfskonstrukte einer Wirklichkeit sind, die die tatsächliche Vorstellbarkeit bereits überschritten hatte. Kwiat, Weinfurter und Zeilinger deuten dies an, wenn sie schreiben: "Die intuitiver Einsicht widerstrebenden Phänomene der Quantenwelt strapazieren auch das Vorstellungsvermögen von uns Physikern" (Spektrum der Wissenschaft, Digest-ND 3/2003: Quantenphänomene, S. 26)

(Siehe dazu auch: Stephen Hawking - "Eine kleine Geschichte der Zeit", Kap.4
Die Unschärferelation)

Zwar lehnte der Wissenschaftler Einstein die Unschärferelation mit den Worten ab: "Gott würfelt nicht", doch war ihm wohl an der Stelle nicht klar, dass es im Gespräch um Gott wohl noch weniger möglich war, zum alten Laplace'schen Determinismus zurückzukehren, als einmal mit dem Gedanken zu spielen, dass Gott als Herr über das Universum wohl auch Herr über die Wahrscheinlichkeiten und deren smarte Anwendung sein könnte, und dass es eine noch nicht entdeckte und vielleicht gar nicht entdeckbare Wirklichkeit jenseits der durch eben diesen Dualismus gesteckten Erkenntnisgrenzen geben könnte.

Dieser Anspruch an die Wissenschaft, ihr bisher gelehrtes Weltbild zu überdenken, führte dazu, dass sich zum einen die Religionen wieder ins Gespräch einmischten, und zum anderen die Wissenschaftler es nicht mehr vermeiden konnten, über eine metaphysische Wirklichkeit oder sogar einen Gott zumindest nachzudenken (vgl. dazu Stephen Hawking - "Eine kleine Geschichte der Zeit", Kap. 8
Ursprung und Schicksal des Universums oder Steven Weinberg - "Der Traum von der Einheit des Universums", Kap XI Die Frage nach Gott)

Mehr noch, die Diskussion darum war wieder eröffnet. Und so hören wir nun auch Quantenphysiker wie Hans-Peter Dürr, die uns die Welt des kleinsten Seins in metaphern beschreiben, die religiöse Anklänge haben. So antwortet Dürr in einem PM-Interviewartikel auf die Frage ob er an ein Jenseits, eine Existenz nach dem Tode glaube:

"Was wir Diesseits nennen, ist ja eigentlich die Schlacke, die Materie, also das, was greifbar ist.
Das Jenseits ist alles Übrige, die umfassende Wirklichkeit, das viel Größere. Das, worin das Diesseits eingebettet ist. Insofern ist auch unser gegenwärtiges Leben bereits vom Jenseits umfangen. Wenn ich mir also vorstelle, dass ich während meines diesseitigen Lebens nicht nur meine eigene kleine Festplatte beschrieben habe, sondern immer auch etwas in diesen geistigen Quantenfeldern abgespeichert habe, gewissermaßen im großen Internet der Wirklichkeit, dann geht dies ja mit meinem körperlichen Tod nicht verloren. In jedem Gespräch, das ich mit Menschen führe, werde ich zugleich Teil eines größeren geistigen Ganzen. In dem Maße, wie ich immer auch ein Du war, bin ich, wie alles andere auch, unsterblich."
(P.M. Mai 2007 : "Am Anfang war der Quantengeist").

Wie viel Religiöses doch in diesen Worten anklingt ...

1 Kommentar:

Wolle Willeke hat gesagt…

Hi, Dirk!
Klasse Artikel!
Die Diskussion um Gott und das Jenseits wird immer interessanter.
Gruss
Wolle
P.S.: Schreib bitte kürzere Sätze!
Manches ist schwer zu überblicken.
Trotzdem gut!