2007-08-16

Das 1x1 der Emerging Church (Fabian Vogt)

Dosi hat in seinem Blog ein Review des Buches "1x1 der EmergingChurch" von Fabian Vogt geschrieben, und dazu einige Kommentare geerntet.

Da ich das Buch selbst in meiner Input-Liste habe, aber selbst kein Mitglied einer "Emerging Church" bin, möchte ich die Kommentare hier kurz aus einer anderen Perspektive beleuchten.

Hintergrund

Als ich vor einiger Zeit auf den Begriff "Emerging Church" aufmerksam gemacht wurde, war -für mich ganz natürlich- der erste Schritt, danach zu googlen. Das war umso natürlicher, als die Emerging Conversation selbst darauf hinweist, dass vieles in Blogs diskutiert wird.

Das Bild, dass ich von diesem Begriff gewann, war wie eine wissenschaftliche Forschung. Immer wenn ich neue -teilweise radikal neue- Eindrücke gewann, taten sich neue Fragen auf. Daher habe ich gelernt, bei allen Aussagen, die eine Person zur Emerging Church macht, im Geiste hinzuzufügen: "so wie der Autor es sieht/versteht".

Um nun mit Anderen in einer klassischen Gemeinde über Emerging Church reden zu können, ist das nicht sehr hilfreich. Da ich an anderen Stellen gerne auch mal ein Buch weitergebe und mein Gegenüber zu lesen auffordere, wollte ich das auch hier gerne tun. Leider gibt es da zwei Hindernisse:
  • Es gibt noch nicht viel Literatur in deutsch.
  • Nicht jeder liest gern auf Anhieb umfangreiche Werke, die ihm ein Rover in die Hand drückt ;-)
Zum Buch

Hier ist das genannte Buch "Das 1x1 der Emerging Church" eine Hilfe. Klein und kompakt gibt es einen ersten brauchbaren Einstieg in die Thematik, vor allem -wie DoSi auch schreibt- , weil es nicht den Eindruck hinterlässt, dass es sich dabei um ein Gottesdienstmodell handelt.
Dies ist nämlich meines Erachtens eine kleine Schwäche an dem wohl als erstes in deutsch übersetzten Buch von Dan Kimball "Emerging Church" .

Zu den Kommentaren

Das Buch versteht sich selbst als "Einladungskarte" (deswegen auch der eigenartige Querdruck). Und mehr als eine Einladung kann es in dem geringen Umfang auch nicht sein.
Für jemanden in einer klassischen Gemeinde, der die Emerging Church als Begriff gar nicht kennt, ist dieses Buch tatsächlich eine Einladung, seinen Denkhorizont zu erweitern und dem Begriff weiter nachzugehen.

Forderungen, dass in einem solchen Buch mit einem solchen Umfang auch der philosophische und literaturwissenschaftliche Hintergrund dargestellt werden soll, oder die "Dekonstruktion der eigenen Wahrnehmung" in der Emering Conversation dargestellt werden soll, wie z.B. Onkel Toby es fordert, ist dem üblichen Leser, der als Mitarbeiter einer klassischen Gemeinde das Buch für kleines Geld vom dortigen Büchertisch mitnimmt, sicher zu hoch. Besonders in der Einstiegsphase, die dieses 1x1 zunächst einmal leisten will.

Wer beim Vermitteln eines 1x1 verlangt, dass es dem Schüler die Berechnung der Planetenbahnen ermöglicht, überfordert ohne Frage.


Onkel Toby hat übrigens selbst ein Review auf seinem Blog gepostet.

Besonders beachten möchte ich dabei die Punkte 3., 4. und 5.
Es ist interessant, dass Onkel Toby in diesen Punkten kritisiert, dass so vieles von Vogt in diesem Buch nicht genannt wurde, in den Kommentaren bei DoSi jedoch auf den Literaturzugang Derrida's hinweist.

Meiner Ansicht nach steckt gerade in dem, was das Buch an offenen Fragen und nicht behandelten Punkten beim Leser stehen lässt, die Stärke.

Die in den Punkten 4. und 5. kritisierten Nicht-Behandlungen zwingen den Leser, diesen Punkten selbst nachzuforschen. Das Buch gibt hier keine Antworten, sondern den Weg der Fragen vor. Das aber ist genau das, was in meinen Augen der Begriff Emerging Church für einen Lesen in einer klassischen Gemeinde ausmacht: Aus dem eigenen Kontext heraus diesen Fragen weiter nachzugehen und seine Antworten selbst zu entdecken.
Emerging Church ist nun einmal unter anderem auch genau das: Wandlung und Veränderung eines vorhandenen Kirchenkontextes.

Aus dem gleichen Grunde finde ich den kritisierten Mangel an Links nicht falsch.

Onkel Toby schreibt:
Soweit ich sehe, wird das Internet ein einziges Mal erwähnt.; Blogs existieren für Vogt überhaupt nicht. Das ist für eine "Bewegung" deren Hauptakteure alle blogs haben und deren Diskussion zu einem grossen Teil eben dort stattfindet, wirklich bizarr. Ich sehe durchaus eine gegenseitige Befruchtung von EmCh und vielem, was unter "web 2.0" subsummiert wird. Darauf nicht im geringsten einzugehen halte ich für eine grobe Unterlassung.
Ganz im Gegenteil dazu scheint mir genau in dieser Unterlassung eine absolute Stärke zu liegen.

Es ist eben genau "moderner" Schreibstil, mit Quellenangaben und Verweisen hausieren zu gehen. Welche Links will man aber in einem gedruckten Werk zur Emerging Church publizieren?
Jede Auswahl würde dazu führen, dass diese als zu einseitig kritisiert würde, oder dass sie den Weg des Lesers schon fest vorgeben würde. Wenn Emerging Church kein fest definierter Begriff ist und viele darunter etwas anderes verstehen, wäre jegliche Vorgabe falsch.
Auch ist das Internet in stetigem Wandel. Was heute interessant ist, ist morgen veraltet. Ist ein bestimmtes Blog relevant für den Begriff Emerging Church? Oder sind es nur bestimmte Beiträge, den der Blogger zu einem Zeitpunkt seines Lebens dort hinterlegt hat?
Was ist, wenn morgen etliche neue Blogger auf den Plan treten, die plötzlich als "Hauptakteure" gelten?
Welche Blogs soll man auch als Links in einem deutschen Buch anbieten?
Die englischsprachigen der Kernautoren?
Soll Onkel Toby's Blog in dem Buch gelistet werden?
Wer sind die Hauptakteure in Deutschland?

Widerspricht der Begriff "Hauptakteur" denn nicht dem postmodernen Selbstverständnis der Emerging Church sowieso irgendwie?

Onkel Toby weist in seinem Kritikpunkt auf "Web 2.0" hin, aber ein wesentlicher Punkt davon ist ja genau die Anwendung von Suchmaschinen. Geht der Leser des 1x1 aber hin, und wendet diese an, hat er zwei Möglichkeiten:
  • Er gibt "Emerging Church" in Google ein, und wird auf eine Masse an Links stoßen, die er nach eigenem Ermessen öffnen, lesen und den darin angegebenen Links nachfolgen wird.
  • Oder er gibt "Fabian Vogt" in Google ein, und landet unter anderem auf genau den Rezensionen von DoSi und Onkel Toby und deren Kommentaren, die ich hier gerade bespreche (und übrigens wahrscheinlich sogar auf genau diesen Beitrag hier). Dadurch bekommt er aber einen breiten Hintergrund über genau die offenen Fragen, die gemäß Onkel Toby's Kritik nicht erwähnt werden.

Tatsächlich verläuft sich die weitere Kommentar-Diskussion an DoSi's Eintrag in theologischen Debatten, und tatsächlich wird der, der per Suchmaschine auf die Rezension stößt, somit auch genau auf diese geleitet. Das Buch hat damit, gerade weil es im Web rezensiert und kritisiert wurde, aber keine strikten Vorgaben für den Einstieg in das Web macht, sein Ziel erreicht.

Exakt das ist Web 2.0 !

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für Deine Auseinandersetzung mit meiner Rezension! Ich denke, Du hast da ein paar gute Punkte, die ich gut nachvollziehen kann, wenn ich sie eben auch anders sehe.

Und das der Leser dank des Google-Ranking doch in die Diskussion einseigen kann, ist natürlich eine feine Sache. Noch feiner hätte ich es gefunden, wenn der Autor einen Blog mit einer Linksammlung zum Buch schreiben würde, da, wie Du ja richtig sagst, links schneller veralten als Yoghurt in der Sonne.

Es gibt übrigens in der Tat Hautakteure, z.B. die, die Bücher darüber geschrieben haben. Ich denke, das Bewußtsein, dass man immer nur einen subjektiven Auschnitt präsentieren kann sollte nicht dazu führen, überhaupt nichts mehr zu schreiben. Im übrigen hätte mein Blog auf einer solchen Linkliste nun worklich nichts zu suchen...

Viele Grüsse,

Toby

MentalRover hat gesagt…

Hallo Onkel Toby,

vielen Dank für den Kommentar.

Noch feiner hätte ich es gefunden, wenn der Autor einen Blog [...] schreiben würde

Stimmt, da kreist bei mir allerdings auch ein Fragezeichen über der Frisur...

Und natürlich stimmt prinzipiell:
[...]Hautakteure, z.B. die, die Bücher darüber geschrieben haben

... und die findet man dann ja auch auf der einzigen URL im Buch, nämlich dem deutschen Portal Emergingchurch.de

Der CundP-Verlag scheint sich ja wirklich um das Thema zu bemühen, allerdings werde ich nachdenklich, wenn ein trotz allem ja kommerzielles Unternehmen eine dermaßen zentrale Domain hostet und als Portal benennt ...

Im übrigen hätte mein Blog auf einer solchen Linkliste nun worklich nichts zu suchen

Understatement, mein "Friend of emergent"? :-)
(Und sei es nur, weil zumindest bei dir eine nahrhafte Linkliste zu finden ist! ;-) )

Nein, im Ernst, mein Eindruck ist: Sucht man im deutschen Web nach "Emergent Church", so stößt man entweder auf zentrale Blogs/Seiten, die in sehr geringer Frequenz aktualisiert werden (und daher keine Diskussion, keinen Dialog zur EmCh wirklich aufbauen), oder aber auf "Hauptakteure", dessen Blogs sich aber nicht zentral um das Thema, sondern mehr um die Personen selbst drehen. Diskussionen sind dort sehr intensiv und interessant, aber eben nur vorhanden, weil sie eben auch in einer EmCh zu Hause sind.

Letztlich wühlt man so sinnvollerweise durch jedermanns Seiten, der das Stichwort listet.