2007-09-26

"Pass auf, dass du deinen Glauben nicht verlierst"

Schon der dritte Post heute, aber ich denke, auf diesen Post hier muss ich einfach hinweisen:

"Pass auf, dass du deinen Glauben nicht verlierst"
bei Peregrinato (Peter Aschoff).

Zwei wichtige Zitate aus dem Text:

Traurig ist dann nur die Tatsache, dass der neue Glaube vom “alten” Umfeld nicht mehr als der eigene anerkannt oder gar als Gefahr und Verführung abgewiesen wird. Als wäre jede Form von Zweifel erstens böse und zweitens ansteckend.
Und:
Jemand, der mit diesen Veränderungen seines Gottesbildes ringt und dabei auch selbst das beängstigende Gefühl hat, in Glaubensfragen den Boden unter den Füßen zu verlieren, findet in einem zur Selbstkritik unfähigen und zwanghaft homogenen Umfeld keine Hilfe - im Gegenteil, seine Ängste werden verstärkt und bestätigt, so dass am Ende tatsächlich nur ein Bruch möglich erscheint. Denn zurück zu gehen in eine verlorene Naivität würde bedeuten, die eigene Integrität zu opfern - ein hoher Preis.

Such people do not think

Ein absolut bemerkenswertes Zitat, gefunden als Kommentar zu einem Blog-Post:

Many college graduates—perhaps a majority of them—are not educated.

What is the test?

The test in question is this: Do you read books that you cannot understand easily? Books that require to be read slowly and deliberately? Books that you know are beyond your capacity to understand fully?

If you do not, you are not educated; you do not have the temper and habit of an educated mind; you are not a student.

Do people who fail to meet that test think that they are educated?

No. Such people do not think.

Cassius Jackson Keyser, Mole Philosophy and Other Essays (1927), p. 27


In deutsch:

Viele Hochschulabgänger —vielleicht der Großteil von ihnen— sind nicht gebildet.

Was ist der Test?

Der in Frage kommende Test ist: Liest du Bücher, die du nicht leicht verstehst? Bücher, die langsam und mit Bedacht gelesen werden wollen? Bücher, von denen du weißt, dass sie jenseits deiner Möglichkeiten sind, sie vollständig zu verstehen?

Falls du es nicht tust, bist du nicht gebildet. Du hast nicht das Naturell und die Gewohnheiten eines gebildeten Geistes. Du bist kein Lernender.

Denken Leute, die diesen Test nicht erfüllen, sie seien gebildet?

Nein, solche Leute denken nicht.

Cassius Jackson Keyser, Mole Philosophy and Other Essays (1927), p. 27

Mit-Leiden / Mit-Denken

Mitleid - Wir kennen das Wort. Es bezeichnet die Tatsache, dass man das Leid eines anderen zu einem Teil zu seinem eigenen macht. Es bezeichnet Nähe. Das Teilhaben an der Situation des anderen. Das Mitfühlen des Erlebens des anderen. Sich selbst zurücknehmen und auf den anderen einlassen. Gefühle des anderen zulassen, ihn wahrzunehmen.
Positives Mitleid, das sich selbst nicht im anderen verliert, dient dem anderen. Lindert seinen Schmerz. Tröstet.

Mitdenken - Wir kennen das Wort. Es bezeichnet die Tatsache, dass man gedanklich nachvollzieht, was ein anderer vordenkt. Das Mitverfolgen eines Vortrages. Nicht nur aufnehmen und runterschlucken, sondern verarbeiten, die offenen Punkte erkennen und Fragen zu stellen. Mitdenken heißt auch, vorauszusehen, einen Handlungsablauf nicht nur zu beobachten, sondern daraus Handlungen abzuleiten. In diesem Sinne denkt der Lehrling mit, der seinem Meister ungefragt das richtige Werkzeug anreicht.
Positives Mitdenken, das gedankliche Wege nachzuvollziehen versucht, dient zum Verständnis des Mitdenkenden. Es ist ein Lernprozess dessen, der mitdenkt.


Wo aber ist das Mitdenken, dass zu einem Mitleiden wird?
Wo ist der, der sich auf die Gedanken eines anderen einlassen kann, die Fäden des anderen aufnimmt, Sackgassen entdeckt und dort hinaus führen kann?
Wo ist der, der mitdenkt nicht, um zu lernen, sondern um zu lehren?
Der nicht mit fertigen Gedanken bombardiert, sondern den Argumentationslinien und Fragen folgt und diese mit denkt?
Wo ist das Mitdenken als Dienst am anderen?

Wo ist der, der sich darauf einlassen kann, auch wenn es gefährlich ist?

Nicht logisch, aber theologisch


Nicht logisch, aber psychologisch

Oft gehört. Oft zitiert.

Nicht logisch, aber theologisch

... kommt dann in Unseren KreisenTM oft dazu.

Zu oft gehört. Zu plakativ. Zu sinnfern. Zu finalisierend.
EOD (End Of Dialogue)

(Selber-) Denken nicht erwünscht? Oder Spannung zu hoch?

2007-09-21

The Other Blog

Weil's so nett ist, habe ich noch ein weiteres Blog angefangen, in dem ich alte Webseiteninhalte schonmal eingebaut habe.
Rover's Camp zeigt die anderen Seiten vom MentalRover (falls sie jemanden interessieren).

2007-09-19

Was mich traurig stimmt ...

... ist, wenn beim Lesen eines Artikels die Worte

Abgrenzung, Mauerbau, Starre, Kontra-Haltung, geschlossene Tür, Negation als Prinzip, Konservierung

in meinem Geist auftauchen. Und das mit "traurig" meine ich nicht polemisch sondern wirklich ernst!

Ein solcher Artikel ist bei Idea unter dem Titel "Die Bibel ist kein Sammelsurium von Mythen" zu finden, in der über jene Bekenntnisbewegung geschrieben wird, die die Negation und Ablehnung als Grundprinzip bereits im Namen führt: "Kein anderes Evangelium" !

Ein Name, der die abwehrend erhobene Hand, die symbolische Mauer, quasi als bildliches Insignium im Geist aufscheinen lässt.

Sollte ich dem Namen ein Gesicht zeichnen, so wäre dies das Gesicht eines alten Mannes mit nach unten gezogenen Mundwinkel und ausgeprägten Nasenfalten, in dem sich die lebenslange Skepsis, das ständige abwertende Naserümpfen eingeprägt haben.

Grundsätzliche Abwehr alles Neuen und starre Konservierung: Nur so kann ich die Aufforderung verstehen, ausgerechnet die Lutherbibel für evangelikale Jugendkreise zu empfehlen.

Pfarrer Jakob Tscharntke und die genannte Bewegung konterkarieren aber damit genau den Titel dieser Bibel:

Luther steht für Mittelalter. Für ein Deutsch, dass unverständlich, eigenartig geformt und überholt ist.

Luther steht aber auch für Re-Formation, Neu-Bildung, Aktualisierung und für Inkulturation des Wortes. Für "Ecclesia semper reformanda" - die sich ständig reformierende Kirche.

Luther selbst würde gewollt haben, dass man seine Übersetzung heute in einem Jugendkontext nicht mehr verwendet.
Es muss ja nicht gleich die VolXbibel oder die "Bibel in gerechter Sprache" sein, zeitgemäße Übersetzungen gibt es genug. Luther hätte gewollt, dass die verwendete Bibel nicht mehr seinen Namen trägt, sondern den Namen derer, die sein Werk in ihrer Zeit neu durchführen.

Was ich mir wünsche:
Das Bild des älteren Herrn, in dessen Gesicht sich das leichte Zwinkern in kleinen Falten rund um die Augen eingegraben hat, dessen Mundwinkel ständig zu lächeln scheinen.
Die Bewegung der Hand, die auf den anderen zugeht und ihn begrüßt.

2007-09-18

Willow Creek im Wandel ...

Auch bei Willow-Creek ist manches im Wandel, scheint mir.

Nachdem ich ja schon in einem Post Gene Appel aus einem Willow-News Newsletter zitiert hatte, entdecke ich nun die Gedanken, die sich Nancy Beach über The Future Of Worship macht, angeregt durch einen Artikel von Sally Morgenthaler, in der diese ihre eigenen Worship-Paradigmen reflektiert, sowie einen Besuch von ihr auf einem Willow-Creek Leiterschafts-Treffen .

Hier ein paar übersetzte Zitate von Nancy:

Sally wies darauf hin, dass sie glaubt, die Lobpreis Subkultur sei in starkem Rückgang, und dass wir den Mumm haben müssen, nochmal anzufangen und zusammen neu zu entdecken, was unsere Zusammenkünfte zukünftig sein könnten.
Ich teile ihre Sorgen, dass vieles aus der christlichen Lobpreismusik immer gleich klingt, und sich einfach von dem unterscheidet, wo sich säkulare Musik hinbewegt hat.
Ich glaube ebenso, dass unsere Zusammenkünfte viel zu vorhersagbar geworden sind, indem sie fast ausschließlich auf Musik und Lehre beruhen, während sie viele andere Kunstformen und Kommunikationswerkzeuge aufgegeben haben.
Es existiert eine Lobpreis-Subkultur, und in den meisten unserer Kirchen können wir keine großen Erfolge verzeichnen im Erreichen Außenstehender durch unsere wöchentlichen Lobpreis-Zusammenkünfte.
Was bedeutet das alles?
[...]


Ich habe sicherlich nicht die Antworten. Aber ich begrüße die Fragen, so unbequem sie sein mögen, und ermutige meine Mitkünstler und Kirchenlehrer diesen Fragen frontal gegenüberzutreten, ohne Angst und Verteidigungshaltung.
Wir wollen alle dasselbe, denke ich - Erfahrungen schaffen, die
bewegen und letztlich die Menschen auf ihren spirituellen Reisen transformieren, durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Wenn wir aufmerksam zuhören, der Kultur, unseren Gemeindeversammlungen und unserem Schöpfer, werden wir anfangen unseren Weg aus den Wolken zu finden und zu erkennen, wo es als nächstes hingeht.
Lasst uns den Dialog und die Fragen weiterführen ...


2007-09-17

Meisners kleines Fettnäpfchen....

In etlichen Blogs, unter anderem hier bei Onkel Toby und hier bei Peregrinato wird es gerade diskutiert: Meisners Fettnäpfchen.

Meisner O-Ton:
„Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet.“

Irgendwie hat er doch recht, wenn man es mal genau liest.

Derjenige, der diese Worte sagt ist doch genau dadurch, dass er sie sagt, das beste Beispiel dafür, was er selbst aussagt.
a) Ist er doch Vertreter einer Kirchenform, die sich im Kult immer mehr von der (Gesellschafts-)Kultur entfremdet und dadurch im Ritualismus erstarrt.
b) Gibt es keine Nicht-Kultur, wo immer sich eine Form von Gesellschaft bildet. Somit ist er selbst Ausdruck einer (Kirchen-)Gesellschaft mit einer (Kirchen-)Kultur. Und die "entartet" tatsächlich, da sie sich von der Gesellschaftskultur entfremdet und dann solche Vokabeln benutzt und sich damit solche Mißgriffe erlaubt.


Mal ganz davon ab, legt man das Wort einmal mal nicht auf die Goldwaage: Dass eine Kultur "entartet", wenn sie den Bezug zu einer Form der Spiritualität (in seinem ritualkultischen Sprachgebrauch: "Gottesverehrung") verliert, ist durchaus eine bedenkenswerte These: Wohin führt uns eine Kultur, die jeglichen "Kultes" beraubt spirituelle und ethische Expressionen verneint und sich jeglichen triebhaften und/oder progressiven Exzesses hingibt?
Wird dort "Kunst" nicht immer mehr zu "Kommerz"? Versandet Ausdrucksstarkes nicht in Belanglosem? Wird Künstlerisches nicht zu purem mechanischem Handwerk?

Und was ich mich beim Lesen des Zitates ebenso frage:

Wo steckt in dem Zitat eigentlich die "Kunst"?

Hätte er "Kultur" mit "Kunst" gleichgesetzt, würde wohl gemäß seiner Aussage die Kunst entarten.


Er redet aber von entarteter "Kultur"(!), und diese ist mehr als "Kunst", da Letztere nur eine Ausdrucksform von Ersterer ist. Somit kann die der Spiritualität beraubte Kultur als eine "kunstlose", materialistisch-"künstliche" Kultur verstanden werden, die der Menschlichkeit beraubt, dem/den Menschen ent-artet.

Meisner behauptet:
"Ich wollte nur ganz schlicht damit sagen, wenn man Kunst und Kultur auseinanderbringt, dann leidet beides Schaden. Das war die schlichte Aussage dieser Passage",
Seine "Richtigstellung" als Ausrede ist nun mehr als unglücklich: Wie will man denn Kunst und Kultur auseinanderbringen? Und: Wo ist denn da jetzt der Kultus, die "Gottesverehrung" in seiner neuen Dichotomie zu finden?

Kunst, ganz banal verstanden, steht niemals auf einer der beiden Seiten, sondern ist inhärent in beidem.

Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich nämlich auch im erstarrten religiösen Kult eine Form von Kunst: Gregorianischer Kirchengesang, Eucharistie-Tanz am Altar, Kreuz-Schlag-Choreographie der Kirchbesucher, moderne Kirchen-Architektur.

Eine verzweckte, ebenfalls erstarrte, rein produktive Darstellung der (Kirchen-)Kultur womöglich?

Peregrinato fragt übrigens dazu:
Es klagen ja auch viele christliche Künstler über die stereotype Erwartung, dass Kunst immer predigen müsse. Muss sie das - und was genau?

2007-09-10

"Extreme Worshipper" - Stuntfilm als Missions-Projekt !?

Schon interessant, was man da bei glaube24.de findet...

Ein Jugendkreis will mit einem Stuntfilm in Anlehnung an Jack-Ass in die Kinos, das Ganze als evangelistisches Projekt, denn es heißt:

Mal „was ganz anderes“ macht ein Jugendkreis aus Süddeutschland zurzeit. Im zeitlichen Rahmen von einem Jahr wollen die jungen Leute einen Film drehen, der zeigen soll, dass Christsein alles andere als langweilig ist.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es ein interessanter und spektakulärer Film wird und finde es mutig, was dieser Jugendkreis da auf die Beine stellt. Inwiefern ein Stuntfilmt aber zeigt, dass "Christsein" nicht langweilig ist, erschließt sich mir nicht.

Letztlich zeigt der Film doch eher nur, dass dieser Jugendkreis ein wagemutiger Sportverein ist und offensichtlich ein cooles Freizeitangebot hat. Denn das Abseilen von einem Turm oder der Sprung von der Brücke gehören sicher nicht zum spezifisch "christlichen" Abenteuer.
Dazu gehören für mich wohl eher die Abenteuer, wie sie die Fahrer der FeG-Auslandshilfe und andere erleben, die sich für den Glauben einsetzen, wohlgemerkt, ohne sie zu suchen: Zwei Tage Aufenthalt an der Grenze, schwerer LKW-Unfall, Beschlagnahmung, Verhaftung....

Inwiefern wird an dem Film deutlich, wie es mit dem Christsein im Alltagsleben der Jugendlichen aussieht?
Inwiefern zeigt mir der Film als Zuschauer, wie Christsein mein eigenes Alltagsleben spannender macht?

Ist das überhaupt das Ziel des Christseins?
„Wenn die Zuschauer sich bei dem Film amüsieren und vielleicht darüber staunen was Christen so machen, werden sie auch neugierig was sonst noch so hinter diesem 'biederen' und 'langweiligen' Christsein steckt“, so die Theorie der Filmemacher.
Leider bezweifle ich, dass dieses Konzept aufgeht. Hat es doch für mich den eigenartigen Touch von "Guck mal, wir Christen können auch ...", wie man es an so vielen Stellen vorfindet, so als müsste es zu allem "The Christian Answer To..." geben und somit alle Themen irgendwie unter einem christlichen Label neu verzweckt werden:
Die christliche Suchmaschine, die christliche Antwort auf YouTube, christliche Nachahmungen von mainstream Musikern, die christliche Bücherstube, die christliche Sporthalle, die christliche Fußballer-CD ...

Werden die Zuschauer wirklich "staunen, was Christen so machen"?
Oder lediglich staunen, was die Gruppe um Christoph Hahn so macht, völlig unerheblich, ob es nun Christen sind oder nicht?

Wird es in unseren Jugendgruppen eine Veränderung machen, nachdem der Film gelaufen ist? Müssen wir dann später ebenfalls Extreme Sports anbieten, um nicht doch als langweilig dazustehen?

Vielleicht schafft es "Extreme Worshippers" ja tatsächlich, die Gradwanderung zu machen und Botschaft und Attraktivität zu verknüpfen. Leider bin ich da sehr skeptisch, dass außer einem coolen Film um eine freakige Gruppe mehr vermittelt werden kann.
Schwerwiegende Verletzungen gab es bei den Dreharbeiten bisher zum Glück noch nicht. Lediglich einmal habe sich jemand bei einer Szene den kleinen Finger gebrochen. „Aber er hat es sehr sportlich genommen“, so der Film-Verantwortliche. Gott habe die Gruppe bisher vor schlimmeren Verletzungen bewahrt. Bei Stuntfilmen passiere schnell mal etwas, doch der Hechinger ist zuversichtlich, mit Gottes Beistand auch die restlichen Dreharbeiten gut in den Kasten zu bekommen.
Hier wird viel von Gottes Beteiligung am Film geredet, aber wird man wirklich einen Unterschied merken, ob "Gottes Beistand" den Film in den Kasten bringt, oder einfach Begabung und Geschick, wie in den anderen, gleichartigen, weltlichen Projekten auch?

2007-09-05

Priorität der "Schrift" - etliche Fragen tun sich auf - Verwirrung

In einem Post zitierte Stefan Piechottka das Agile Manifesto, welches in meiner Sidebar zu finden ist.

Christian B. kommentierte dazu:
5. Die Bibel ist Gottes Wort und alleiniger Maßstab im Sinne von 1.-4. Wir folgen nicht menschlicher Weisheit, sondern prüfen alles, ob es der Schrift entspricht. Wir wollen am Tag Christi lieber als treu befunden werden denn Menschen gefallen. Denn es steht geschrieben: "Diese aber waren edler als die in Thessalonich; sie nahmen mit aller Bereitwilligkeit das Wort auf, indem sie täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich also verhielte." (Apg. 17, 11)

Die Beröer haben nicht einmal Paulus unbesehen geglaubt. Ihr Maßstab war allein die Schrift. Ich hoffe, dass es auch bei uns so ist. Denn McManus, Bell, McLaren und andere lehren zwar neu, aber anders und Anderes. Ich habe schlaflose Nächte bei dem Gedanken, dass wir das nicht erkennen. Sine ira et studio, audiatur et altera pars.

In einem weiteren Kommentar wies ich darauf hin, dass das höchste Gebot in Matthäus 22 das Gebot der Gottesliebe und der Nächstenliebe ist.

Es ist dort jedoch nicht ein Gebot zur "Schriftliebe" erwähnt.

Das ist nun auch etwas schwierig. Schliesslich zitiere ich hier ja gerade die Schrift, indem ich Matthäus 22 angebe.

Dies veranlasst mich tatsächlich zu der Frage, wie sich die Gebote -gerade auch diese beiden-, die in der Schrift zu finden sind, denn zur Schrift selbst verhalten.

Steht die Schrift über den Geboten, weil sie ja diese enthält und dem Leser vermittelt? Oder stehen die Gebote über der Schrift, weil sie auch regeln, wie mit Letzterer zu verfahren ist?
(Kann man es so sehen, dass die Schrift über die Gebote redet, die Gebote aber über mehr als nur die Schrift ?)

Wie referenziert die Schrift sich eigentlich selbst? Das würde ich gerne einmal untersuchen.

Werden wir der Schrift und den darin befindlichen Geboten (ganz zu schweigen von Gott selbst) gerecht, wenn wir Sola Scriptura in dieser Form zu unserer Glaubens-Maxime machen?

Oder stehen wir dadurch eher in der Gefahr, Gott selbst durch "sein Wort" zu ersetzen, so daß die Schrift als solche zu einem Götzen wird?

Wie verhält es sich mit dem Satz: "Die Beröer haben nicht einmal Paulus unbesehen geglaubt. Ihr Maßstab war allein die Schrift."
Soll ich ebenso "nicht einmal Paulus unbesehen glauben"?
Aber für uns heute ist auch Paulus die Schrift!

Dann wäre das ein Hinweis darauf, der Schrift nicht unbesehen zu glauben?

Wenn aber der Maßstab allein die Schrift ist, und ich der Schrift nicht unbesehen glauben soll, dann muss ich die Schrift durch sich selbst authorisieren.

Welche Teile der Schrift aber sind nun zu prüfen, und welche werden zur Authorisierung herangezogen?
Und wie steht es mit der Prüfung der zur Authorisierung herangezogenen Teile?

Und für die Beröer wie auch für mich tritt dasselbe Problem auf:

Die Schrift ist nicht völlig unabhängig und autonom.

Der Vorgang des Prüfens findet irgendwo durch mich, den Leser, in einem auslegenden, interpretierenden Prozess statt. Somit ist das Ergebnis des Prüfvorgangs auch abhängig von mir als Leser.
Wie kann das in gutem Sinne funktionieren?

Doch nur dadurch, dass Gott selbst in diesen Vorgang durch seinen Geist eingreift.

Dann ist das Ergebnis also davon abhängig, dass Gott durch seinen Geist in mir, dem Leser, wirkt, damit das Prüfen der Schrift anhand der Schrift in Gottes Sinne verläuft.

Damit aber steht Gott und sein Geist über der Schrift selbst, die ja nun sowohl Prüfwerkzeug als auch Prüfobjekt ist.
Dadurch erhält die Schrift aber einen Platz, der nicht mehr durch "Sola Scriptura" vollumfänglich beschrieben wird.

Fehlt vielleicht ein "Solus Spiritus Sanctus" in der berühmten Aufzählung?

(Sind es nicht vielleicht gar zu viele "Soli" ?)

Unsere winderprobten Podeste

Tino schreibt in seinem Post "Postmoderne? Aber wir stehen doch am Anfang" auf einfache, kurze und poetische Weise, was das Lebensgefühl des jungen (wie weit reicht "jung"?) Menschen in Gemeinde auch meiner Ansicht nach ausmacht.
"Aber er baut weiter - ob mit oder ohne eure Hilfe."
Das ist meine Hoffnung.

Hat denn aber außer mir keiner Angst, dass ihm das "Berühren der Ewigkeit" dabei verloren gehen könnte?

Gruß
Ein Exilant

2007-09-03

Kirchendistanzierte Menschen? - Menschendistanzierte Kirchen

Folgenden Text auf der GoSpecial-Seite der CG-Mülheim fand ich ja recht interessant:

Menschendistanzierte …

In den letzten Jahren sind Menschen, die keine Kirche mehr besuchen, oft als „kirchendistanziert“ beschrieben worden. Diese Bezeichnung verlegt das Distanzproblem zu den Menschen. Die Wahrheit ist, dass nicht die Menschen „kirchendistanziert“, sondern eher die Kirchen welcher Couleur auch immer häufig „menschendistanziert“ sind.

Der Verdacht drängt sich auf, dass die kirchliche Sprache den Vorwurf durchschimmern lässt: Warum haben sie uns verlassen (Austritte) ? oder: warum nehmen sie nicht Anspruch, was wir anbieten (Nichtteilnahme). Menschen spüren, ob sie einem Vorwurf oder einer suchenden Liebe begegnen.

Ein Problem unserer herkömmlichen Gottesdienste: Lange bevor die Menschen eine Chance bekommen, dem Herausforderung des Evangeliums zu begegnen, scheitern sie am kulturellen Graben und werden so um das Evangelium betrogen.


Mir scheint es eine interessante und erhellende Variante zu sein, das Problem einmal sprachlich von dieser Seite aus zu betrachten.
Der kulturelle Graben, ja das ist es. Aber lässt dieser sich dadurch überbrücken, dass man alle paar Wochen oder gar Monate einmal die Zugbrücke herunterlässt?
Gottesdienste für suchende Menschen – ob sie "go special" oder wie auch immer heißen- staunen über den Vertrauensvorschuss, den Suchende durch ihr Kommen signalisieren und versuchen dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen

Hier habe ich aber ein Problem:
'Gottesdienste für suchende Menschen' - diese suchenden Menschen sollen uns möglichst immer genau dann "finden", wenn ein solcher Gottesdienst durchgeführt wird.


"Hey, du willst unsere Gemeinde mal kennenlernen, mal sehen, wie das mit dem Glauben und Christsein so aussieht? Dann komm doch in drei Wochen in den Sucher-Gottesdienst!"

"... Ach ... da kannst du nicht? Die Woche drauf? ... Ähm ... lieber nicht ... da läuft grad nix besonderes ..."
Und:
Lässt der Graben sich nur dadurch überbrücken, dass die "Sucher" über die Brücke in die Kirche kommen? Ist das die vollständige und richtige Antwort auf die "Menschendistanziertheit" der Kirche?
Jesus hat seine Jünger nicht dadurch berufen, dass er eine ansprechende Anzeige geschaltet hat, und gewartet hat, dass Interessenten kommen. Er hat sie an ihrem Ort aufgesucht.
Wie schaffen wir das?


Weiter heißt es auf der Seite:

Solche Gottesdienste wollen eine bewusste Elementarisierung der biblischen Botschaft, um den Zugang zu Jesus zu öffnen.

Sie sehen zeitgenössische Musik als Schatz der jeweiligen Generation. Sie wirkt als vertrauensfördernde Maßnahme, lässt Menschen in ihrer gewohnten Musik eine ungewohnte Liebeserklärung hören.

Gottesdienste für suchende Menschen gebrauchen darstellende Künste (Theater, performance, Medien) als Bühne der Lebenserfahrungen der Gäste und zugleich als Türöffner des Evangeliums. Sie befinden sich damit in guter Gesellschaft zu Gleichnissen und Bildersprache Jesu.

Gottesdienste für suchende Menschen sind dann fruchtbar, wo sie im Gemeindeganzen verankert und gewollt sind. Bloße Kopien werden an der Veränderungsunwillig- und -fähigkeit der Gemeinde scheitern.

(Hervorhebung von mir)
In den Generationen herrscht leider ein sehr zwiespältiges Bild darüber, was denn zeitgenössische Musik sei. Wenn ich mit 40 Jahren endlich die Songs aus meiner Jugendzeit in den traditionellen Gottesdienst gerettet habe, ist dies z.B. gar nicht zeitgenössisch.
Zeit-genössisch ist nunmal, was meine Zeit-Genossen hören und ich auch zur Zeit höre.
Aber wer schafft es schon, die Musik, die er privat hört, stilistisch auch einmal in den Gottesdienst zu bringen? (Ich höre Rock, Funk und Jazz ... das ist schwierig! Wieso wird diese Musik im Gottesdienst mit Teenagern in Verbindung gebracht? Ich höre sie seit 25 Jahren(!) und meine Kinder können mit dem meisten davon nicht viel anfangen.
Und Rap oder gar eine Einstimmungsphase mit Technosounds wäre undenkbar. Höchstens einmalig als "mal eine ganz andere Idee" durchgehend. Aber etabliert?).

Und das Wort über die "jeweilige" Generation kann schon einiges an Zündstoff beinhalten.

Die CG-Mülheim scheint aber ein Bewußtsein für diese Spannung zu haben und auch einer Jugendkirche offen gegenüberzustehen.