Interessant war für mich die Aussage: "Ich habe mich am Studienort keiner Gemeinde angeschlossen. Es gibt dort zwar eine, aber ich möchte mit meinem Leben und Glauben erstmal selber klar kommen, und wenn ich möglicherweise sogar mal regelmäßig zu der Gemeinde ginge, würde ich da wahrscheinlich schnell zur Mitarbeit eingebunden. Das kann ich grad gar nicht brauchen, ist aber irgendwie so in unseren Gemeinden."
Ja? Ist das so? Vielleicht. Vielleicht sogar ziemlich sicher, denn unsere Gemeinden klagen ja immer über mangelnde Mitarbeiterzahlen für die ganzen "Arbeitsgruppen" und "Projekte", die so laufen.
Und da fällt mir sofort auf, was mir diffus immer etwas Bauchschmerzen an unserem Gemeindeleitbild bereitet hat:
Wir wollen dazu beitragen, dass Menschen zum Glauben an Jesus Christus finden, ihn als Hilfe für ihr Leben erfahren und engagierte Christen werden(Hervorhebungen von mir)
Während das Thema Lebenshilfe durchaus ein enorm wichtiger Punkt ist, bleibt die Frage, wie denn das Wort "engagiert" zu verstehen ist.
Engagiert bezeichnen wir meist jemanden, der sich einsetzt. Der Zeit, Geld, Kreativität für eine Sache einsetzt. Für eine Sache einsteht oder gar kämpft. Das Wort "engagiert" kommt also aus dem aktivistischen Bereich. Greenpeace-Aktivisten sind engagiert. Die Gewerkschaft ist engagiert. Autoverkäufer sind engagiert.
Was aber ist ein "engagierter" Christ? Oder was versteht die Allgemeinheit der Gemeindeglieder darunter? Ein Christ --oder besser: ein Gemeindemitglied-- welcher sich als Mitarbeiter in mindestens einem Arbeitsbereich hervortut? Welcher mehrere Abende die Woche mit Gemeindegruppen und Gemeindeterminen verbringt?
Ist das das Bild, was wir den Jugendlichen in unserer Gemeinde vermitteln? Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Jugendlichen die Gemeinde (sprich: Das Beteiligtsein an einer Gemeinde) verlassen, sobald sie sich vom Elternhaus lösen und womöglich in eine andere Stadt ziehen.
Nicht nur, dass unsere "Gemeindekinder" plötzlich den Kontakt zu einer Gemeinde verlieren. Nein, das funktioniert auch andersherum. Schließlich leben wir in einer Großstadt mit einer Universität, mit Ausbildungsplätzen. Viele Jugendliche kommen hierher, um in das Berufsleben einzusteigen. Sie kommen von außerhalb, haben sich gerade von ihrer Heimatgemeinde gelöst.
Aber kommen sie in unsere Gemeinde? Suchen sie unsere Gemeinschaft? Wohl äußerst(!) selten. So ziehen unsere Jugendlichen aus Stadt und Gemeinde weg, und keine anderen Jugendlichen in die Gemeinde ein. So entsteht der Einbruch der 20+ jährigen in Gemeinde.
Hinzu kommt noch, dass es für Jugendliche in dieser Altersgruppe, die reflektierter und differenzierter mit dem theologischen Gedankengut umgehen, plötzlich nicht mehr so einfach ist, ihre Meinung, Ansichten, Fragen in Gemeinde offen zu äußern. Auch das war kurz Thema in diesem Gespräch. Die Befürchtung, in der Gemeinde am neuen Ort nicht einfach akzeptiert zu sein, wenn man sich als "Christ" bezeichnet und doch mit zweifelhaften Fragen oder "weltlich" geprägten Ansichten auftritt. Als nicht in der Gemeinde geborener kann man da leicht zum Missionsobjekt werden.
Auch hier wieder die Frage: Wie gehen wir als Gemeinde eigentlich mit den Menschen um uns herum um? Welche mentalen Grenzen von "drinnen" und "draußen" bauen wir auf?
Es bleibt der Eindruck, dass offensichtlich Gemeindekinder, die während einer wichtigen Entwicklungsphase Gemeinde hautnah erlebten vielleicht Jesus Christus, auf jeden Fall aber nicht unbedingt die Gemeinde als "Hilfe für ihr Leben" erfahren haben. Zumindest nicht in den letzten Jahren ihres Heranwachsens.
Das ist ein alarmierendes Zeichen, und daran müssen wir arbeiten. Wir sollten dazu mal eine Arbeitsgruppe gründen und ein paar Mitarbeitertermine zu dem Thema einplanen...
1 Kommentar:
Ist das das Bild, was wir den Jugendlichen in unserer Gemeinde vermitteln?
Ja, das ist das Bild. Und es ist sau schwer dagegen vorzugehen und noch viel schwerer den Vermittlern klar zu machen was sie da machen.
Wenn ich versuche Erwachsenen in unserer Gemeinde klar zu machen das Christen neben dem richtigen Glauben, vor allem über regelmäßiges Erscheinen und Mitarbeit in der Gemeinde definiert werden, stoße ich meist auf blankes Unverständnis.
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