2009-10-02

Postmodern oder einfach nur "da"

Wenn man sich mal wieder in die Debatte um die Emerging Church auf manchen Blogs einliest, so wird ein interessantes Phänomen sichtbar.

Während die einen die Postmoderne beschreiben, und damit auch ihre Sicht der Kirche in der Gesellschaft, bezweifeln andere, wie Sebastian Heck, dass es die Postmoderne überhaupt gibt.
Letztlich kommt man zu der Aussage, dass zumindest die Postmoderne in Deutschland nicht wirklich angekommen ist, und dass Frankreich die Thesen der Philosophen sowieso bereits längst überwunden hat, während in unsere Kirchenwelt nun wieder stark verzögert die Welle aus Amerika rüberschwappt.

Da wird dann über Derrida und Lyotard debattiert, usw. usw.

Dabei scheint mir aber zu sehr die Frage nach dem "Nächsten" (personal gemeint) verdeckt zu werden. Mal ehrlich: Meine Arbeitskollegen, meine Kinder, die Freunde meiner Arbeitskollegen und meiner Kinder ... wo findet man denn jemanden, der Lyotard und Derrida gelesen hat? (Geschweige denn, verstanden).

Damit gehen Debatten völlig an dem eigentlichen Hintergrund vorbei.

Wichtig ist doch einzig und allein die Fragen zu stellen:
  • Wie denkt, wie empfindet, wie erlebt der zeitgenössische Mitbürger in meiner persönlichen Umgebung die Welt?
  • Und wie denke ich, empfinde ich, erlebe ich als Christ und Teilnehmer der Gesellschaft meine persönliche Umgebung, meine Mitmenschen und die Welt?
Rechne ich der christlichen Botschaft einen Wahrheitsgehalt zu? Wenn ja, wie gehe ich dann damit um? Was macht das mit mir? Was mache ich mit meiner Umwelt?

Diese Antworten können nun aufgrund persönlicher Unterschiede und aufgrund von Millieufragen ganz unterschiedlich beantwortet werden. Aber beantwortet werden müssen sie. Und zwar so, dass eine Authentizität zwischen Denken, Reden und Handeln entsteht.

Wenn ich mit dem Blick auf den Nächsten in meiner Umgebung an das Thema Glaube herangehe, dann trete ich in Beziehung. Dann stelle ich Fragen, höre zu, und setze mich auseinander. Versuche Antworten zu finden.

Dann ist es mir aber eigentlich völlig egal, was irgendwelche Philosophen denken oder gedacht haben. Sollten philosophische Prägungen für die Denkweise meines Gegenübers verantwortlich sein, sind sie sowieso unbewusst und tief verborgen. Was zählt, ist die Erfahrung, die jeder mit seiner "Philosophie" im täglichen Leben macht. Und da kann man hinterfragen, ob diese etwas taugt oder nicht.

Wollen wir den Glauben an unsere Mitmenschen in unserem Umfeld weitergeben, so ist letztlich egal, ob diese das Etikett "postmodern" zu recht oder zu unrecht aufgeklebt bekommen. Ob sie "postmodern" sind oder nur "ziemlich postmodern" oder gar nur "im Ansatz postmodern". Was soll's?

Was wir von der Emerging Church -oder: mir gefällt ja Emerging Conversation auch besser- lernen können, ist in jedem Fall die offene Akzeptanz des Anderen, die überhaupt in die Lage versetzt, frei und offen mit dem anderen zu reden, ohne ihn gleich vor den Kopf zu stoßen.

Und was wir lernen können ist, die eigene Position auch immer wieder kritisch zu hinterfragen, und mit seinen Erkenntnissen demütig und veränderungsbereit zu bleiben.

Zuguterletzt können wir dann lernen, auf den anderen und seine Lebenswelt einzugehen, Bezug zu nehmen, wenn wir das Evangelium verkünden. Aber das ist letztlich alter Tobak, den uns Missionare schon längst hätten beibringen können.

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