Folgendes war im letzten Newsletter Willownews vom April 2009 als Werbung zu lesen:Mark Holmen: Den Glauben zu Hause lebenWährend der erste Absatz ja noch recht positiv gelesen werden kann, stieß mir der zweite Absatz doch ziemlich auf.
Eltern befähigen, den Glauben mit Kindern zu leben
Dieses Buch ist Teil der Bewegung GLAUBEN ZU HAUSE, die
Gemeinden darin unterstützt, einen integrativen und
umfassenden Ansatz der Familienarbeit zu entwickeln. Dabei
geht es darum, Familien zu unterstützen, dass der Glaube zu
Hause Gestalt gewinnen kann. Glaubensprägung geschieht
wesentlich mehr zuhause, als durch die kirchliche
Kinderarbeit. Daher muss die Gemeinde für Familien zum
Partner werden, der sie darin unterstützt, Wege zu finden,
wie der Glaube zu Hause gestaltet werden kann.
Mit diesem Ziel haben Mark Holmen und David Teixeira ein
umfangreiches Arbeitsbuch zusammengestellt, das die Vision,
Strategie und praktische Umsetzung einer integrativen
Familienarbeit in der Gemeinde beschreibt. Hinzu kommen 13
kopierbare Einheiten, wie Eltern mit ihren Kindern den
Glauben in der eigenen Familie praktisch leben können. Die im
Buch enthaltende CD-ROM enthält umfangreiche
Arbeitsmaterialien für die Eltern-Kind-Impulse sowie
PowerPoint-Folien für die Vorstellung des Konzepts GLAUBEN ZU
HAUSE in der Gemeinde.
"Vision, Strategie, integrative Familienarbeit..."
Für mich blieb beim Lesen ein fader Nachgeschmack, und die Frage: Ist es das? Definieren wir so unseren Glauben, unser Christsein?
Das Leben persönlicher Gottesbeziehung als Management-Auftrag?
Familienleben per Arbeitsmaterialien?
Ich frage mich, inwiefern sind wir noch (oder vielmehr: wieder!) in der Lage, unseren Glauben und unser Christsein aus der Perspektive der Beziehung, der Dynamik der Begegnung und der simplen Vermittlung von Liebe zu gestalten und vor allem zu vermitteln?
Inwiefern wird andersherum selbst der privateste Bereich durch christlich vorkonzeptionierte und vorkonfektionierte How-Tos durchdrungen?
Werden Situationen und Konstellationen, die ein Aufeinander-Hören und ein gegenseitiges in Achtung Wahrnehmen und Aufeinander-Eingehen verlangen, in ein vorgedachtes und durchdesigntes System-Management verwandelt?
Inwieweit wird Leben in seiner Spontaneität und Flexibilität durch Programmierung ersetzt?
An vielen Stellen klagen die Menschen, gerade die Berufstätigen, heutzutage über Überlastung, Stress, zu wenig zur Ruhe kommen.
Termine und Pläne werden oft als von Außen bestimmt und damit als Druck und Zwang erlebt. Wir werden getrieben von Anforderungen, Zielsetzungen, Kalendern.
Die Gesellschaft produziert auf diese Weise aber ihre eigenen Opfer. Verlierer werden einkalkuliert.
Nur der Stärkere (im Sinne von: Leistungsstärkere, Flexiblere, Opferbereitere) überlebt in diesem Szenario, Familien und andere Beziehungen bleiben auf der Strecke.
Anstatt nun diesem ungesunden Gesellschaftstrend durch Schaffung einer Alternative und eines Freiraumes in Gemeinde zu begegnen, anstatt eine Alternativkultur des Miteinanders zu begründen und vorzuleben, setzen wir diesen Trend, den auch wir als Christen im Beruf zum Teil leidvoll erleben, auch noch in unseren Gemeinden fort:
Aus Gemeinschaft wird Gemeinde-Arbeit. Aus Begegnung mit Jugendlichen wird Jugend-Arbeit.(*)
Und nun introjizieren wir diesen Trend auch noch in die privateste Struktur, die Familien, hinein.
Aus einem Zusammen-Leben von Menschen wird Familien-Arbeit.
Aus einer Gemeinschaft wird plötzlich ein durch Zielvorgaben bestimmtes, durch Programme gesteuertes Zweck-Unternehmen.
Fragt jemand die Kinder und Heranwachsenden eigentlich, ob sie von ihren Eltern als Ziel eines elterlichen Arbeitsprogrammes gesehen werden wollen?
Ob sie den Glauben ihrer Eltern als Kapitel 7 der familiären Christsein-Strategie vermittelt bekommen möchten?
Ob sie elterliche Liebe als Teil deren Glaubens erfahren wollen, weil es gemäß Impuls-Material gerade dran ist?
Anstatt sich mit "umfangreichen" Arbeitsmaterialien einzudecken und immer wieder zu versuchen, Glauben und Gemeinde durch vorgekaute Programme, Konzepte und Schemata in den Griff zu bekommen, wird es Zeit, dass Christen endlich wieder lernen, die Augen für die Menschen und die Gesellschaft um sie herum aufzumachen.
Bewusst auch mal über längere Zeit genau hinzuschauen und hinzuhören, und über das Gesehene und Gehörte im Dialog mit ihrem Herrn intensiv nachzudenken.
Wertfrei, offen, ohne Zweckorientierung.
Menschen, die nach Gott suchen (ob Erwachsene oder Kinder in Familien) brauchen weniger Programme und Arbeitsbücher als mehr persönliche Begegnungen mit Menschen, die ihnen als Gesprächspartner und Vorbilder dienen können. Die ihnen offen und wertfrei begegnen und im Dialog zur Verfügung stehen.
Und da fängt es schon an: Auch für die Suche nach Vorbildern brauchen wir ... Vorbilder.
Wie wächst man eigentlich im Glauben?
Wie findet man Menschen, zu denen wir genug Vertrauen entwickeln können, denen wir uns anvertrauen können, und die für uns zu persönlichen Mentoren werden können?
Wer ist Vorbild darin, Vorbilder zu suchen und zu finden?
Wenn die Gestaltung christlichen Familienlebens eine offene Frage ist (offensichtlich, da das Arbeitsbuch ja darauf eine Antwort geben möchte), und wenn wir aus der Seelsorge wissen, dass persönliches Gespräch und persönliche
Begegnung wichtig sind, um auf die individuellen Bedürfnisse und den Charakter der jeweiligen Menschen einzugehen (offensichtlich, da wir nicht die Seelsorgearbeit einfach durch ein breiteres Büchertisch-Angebot ersetzen), dann ist ein solches Arbeitsprogramm-Buch ein christlicher Stilbruch. Dann ist es in der Gesamtschau christlichen Soziallebens kontraproduktiv, mit solchen Materialien aufzufahren.
Die Frage, wie wir postmodernen Menschen denn Glauben vermitteln können, wird an allen möglichen Orten gestellt, und Antworten darauf klingen oft ähnlich: Durch persönliche Beziehung, durch lehrreiche Geschichten (Narrativium).
Auch z.B. das Thema Glaube, Zweifel und Gemeinde wird daher immer mehr in Romanform statt durch Sachbücher vermittelt.
Durch Erzählungen statt durch strukturierte Programme und Konzepte.
Unser Leben als Christen in Gemeinden soll vom Glauben erzählen, nicht unsere Lehrbücher und Schulungsprogramme.
Christus hat den Jüngern nicht eine Menge von Schriftrollen übergeben, sondern hat sie eingeladen, ihn auf der Reise seines Lebens zu begleiten und ihn quasi "live" zu erleben.
Das sollten wir berücksichtigen, gerade in der aktuellen Zeitgeist-Entwicklung. Sind wir dazu bereit? Oder bleiben wir in der Programmatik und Versachlichung/Funktionalisierung der Moderne haften?
(*) Von "Kinder-Arbeit" als Begriff mal ganz zu schweigen.
2009-04-15
Kindern Glauben vermitteln durch strategisches Programm?
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