2008-01-08

Ockham's Rasiermesser - ein Morgengedanke

Gestern habe ich mal wieder zum Thema Dawkin's Gotteswahn auf Brian Trapps Blog geschaut, und bin in einem Kommentar zu einen Starglider-Artikel auf folgendes Statement gestoßen:

I'm afraid Ockham is much misused in this way. People tend to forget that the Razor is simply a tool to use when we are looking for the best explanation of some known facts (or, at the very least, some agreed-upon facts).

Und hier kommen wir an einen wichtigen Punkt, wenn es um Ockham's Rasiermesser geht.

Auf der gelinkten Wikipedia-Seite sind ja schon Gegenpositionen benannt, wie z.B. „es ist sinnlos mit weniger zu tun, was mehr erfordert“.
Das Problem bei der Anwendung von Ockham's Rasiermesser ist nämlich, dass es nur zu einem gegebenen Zeitpunkt mit dem gegebenen Daten-Wissen zu einer für diesen Moment adäquaten Theorie führen kann.

Das beste Beispiel dafür ist die Quantentheorie, die sowohl den Wellen- als auch Teilchencharakter der Materie berücksichtigt, um beobachtete Phänomene zu erklären. Diese Theorie ist sehr komplex und führt eine Menge von Entitäten bzw. Begrifflichkeiten ein, geht an die Grenze des Vorstellbaren.

Konsultieren wir nun die Wikipedia-Seite zur Geschichte der Atommodelle, so finden wir dort die Entwicklung der Vorstellung über das Wesen der Materie, die nach und nach immer komplexer wurden.

Einen speziellen Punkt greife ich einmal heraus:

Daltons Atomhypothese (1803)

  1. Materie besteht aus kleinsten kugelförmigen Teilchen oder Atomen.
  2. Diese Atome sind unteilbar und können weder geschaffen noch zerstört werden.
  3. Alle Atome eines chemischen Elements sind untereinander gleich, sie unterscheiden sich nur in der Masse von Atomen anderer Elemente.
  4. Diese Atome können chemische Bindungen eingehen und aus diesen auch wieder gelöst werden.
  5. Das Teilchen einer Verbindung wird aus einer bestimmten, stets gleichen Anzahl von Atomen der Elemente gebildet, aus denen die Verbindung besteht.

Gegenargumente für Daltons Theorie waren jedoch z.B. das elektrische Aufladen von Atomen, welches die Teilbarkeit der Atome voraussetzt.

Meist wurden Atome als feste Kugeln angenommen. Dies änderte sich erst, als Joseph John Thomson 1897 das Elektron entdeckte, dieses wurde 1874 erstmals von George Johnstone Stoney vorausgesagt und 1891 namentlich benannt.

Nehmen wir an, in einem Winkel der westlichen Welt wären zu diesem Zeitpunkt unabhängig von dieser Entwicklung die bekannten Quantenvertreter, wie Heisenberg, Schrödinger und wer auch immer auf den Plan gekommen, und hätten parallel zu Dalton und seinen Kritikern die Kopenhagener Deutung präsentiert.

Die Reaktion auf die Quantenvertreter aber wäre gewesen:
  • Auslachen
  • Verärgerung und Empörung
  • Verwirrung und Kopfschütteln
Ganz allgemein: Unverständnis und Ablehnung, und das höchst wahrscheinlich mit dem Hinweis auf Ockham's Rasiermesser. Viel zu komplex, unnötig komplex.

Hier wird aber deutlich: Die momentan empfundene unnötige Komplexität einer Theorie, und die momentane Genügsamkeit, die man einem einfacheren, scheinbar "eleganteren" Modell gegenüber empfindet, sind in keinster Weise ein Merkmal für eine gesichertere Wahrheit. Sie können nur Hinweise darauf sein, welches Modell für eine gewisse Problemstellung als besser handhabbar zu bevorzugen ist.

An dieser Stelle verliert dann das Argument Dawkins', dass Gott nicht existiert, weil die Annahme seiner Existenz eine unnötige Komplexität in die wissenschaftlichen Theorien bringen würde, wohl einiges an Kraft.

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