2008-01-24

Gemeinde - ein unsterblicher Organismus?

Letzten Samstag hatte ich mit meinem Freund Wolle ein interessantes Gespräch über das Thema Jugend und Gemeinde. Im Allgemeinen spezialisiert sich so ein Gespräch ja schnell auf Jugend-Gottesdienst und Gemeinde, aber in diesem Fall blieben wir auch auf der globaleren Ebene.

Mein Freund äußerte die -schon von mehreren Seiten gehörte- Meinung, dass Jugend in die Gemeinde voll integriert sein müsse. Es könne nicht sein, dass sich die Jugend von Gemeinde abkoppelt und möglicherweise sogar eine eigenständige Jugendkirche bildet.

Nun, ich hatte in diesem Gespräch eine andere Sichtweise eingenommen, und möchte die Fragen und Thesen, die sich aus dieser etwas anderen Perspektive ergeben, hier einmal stellen.

  1. Der Ansatz, dass Jugend unbedingt in die bestehende Gemeinde(-tradition) eingebunden werden müsse, kann auf der Angst aufgebaut sein, meine Gemeinde könne eines Tages überaltern und sogar aussterben. Dieser Gedanke wird von Katastrophengefühlen begleitet. So ungefähr, als wenn der einzige Sohn die Traditionsfirma nicht mehr weiterführen will (ein typisches Pilcher-Thema ;-) ).
  2. Die Frage ergibt sich aber, inwieweit die Entstehung einer neuen Gemeinde und das Sterben einer alten überhaupt eine "Katastrophe" darstellt? Was genau ist an dem Gedanken so "schrecklich"?
  3. Mit welcher Berechtigung erwarten wir eigentlich, dass unsere Gemeinde X als Organisation/Institution ein "ewiges Leben" am Ort besitzt?
    Treffen aus Sicht des Organismus' auf eine Stadt, in der mehrere Gemeinden als neue "Zellen" entstehen sollen (so die missionarische Vision) nicht auch die organischen Gesetzmäßigkeiten zu, dass alte Zellen sterben?
  4. Ist der Versuch, unbedingt die eigene Gemeinde am Leben zu halten nicht eventuell sogar im Widerspruch zu der umfassenderen Sicht des Leibes Christi?
    Heißt: Müssten wir nicht eher daran interessiert sein, dass an unserem Ort möglichst viele Menschen den Christus als ihren Herrn annehmen und ein geistliches Zuhause in einer Gemeinde finden, auch wenn diese nicht die unsere ist?
    Und ist das Bestreben, gerade auch Jugendliche in genau unserer Gemeinde zu halten, nicht gerade kontraproduktiv, wenn sie als Alternative dann in gar keine Gemeinde gehen und sich nicht nur von der Gemeinde, sondern vom Glauben abwenden, weil wir beides nicht sauber getrennt bekommen?
  5. Wenn ich also mit einer umfassenden Sicht des Leibes Christi am Ort an die Thematik herangehe, ist das Altwerden und Aussterben einer konkreten Gemeindeinstitution bei weitem weniger dramatisch, als die Tatsache, dass die Stadt als solches immer gottloser wird.
Wenn ich auf solche Weise argumentiere, dann kann es leicht so klingen, als würde ich mich dafür stark machen, dass die Jugendlichen unserer Gemeinde ausziehen und eine eigene Gemeinde gründen.

Dies ist nicht der Fall. Natürlich ist es weitaus wünschenswerter, dass wir als Gemeinde es schaffen, eine Integration zu erreichen und quasi einen weichen Übergang auf die nächste Generation zu ermöglichen. Uns von innen her zu erneuern. Es ist einfach angenehmer, wenn es einfach so weitergeht, wie bisher. Wir werden alt, die Jungen bekommen Kinder, die gehen dann in die Sonntagschule usw. usw. . Natürlich ändern sich manche Dinge, aber die Gemeinde als solche bliebe erhalten.

Diese Sicht darf aber nicht dazu führen, dass wir
  1. die Augen davor verschließen, dass dies aus verschiedenen Gründen möglicherweise nicht gangbar ist. Dass es einfach so nicht funktioniert.
  2. unseren Wunsch als einzige Alternative sehen und es dadurch versäumen, andere Optionen und Perspektiven, die ebenfalls vorhanden sind, auch in den Blick zu nehmen und ihren Wert für das Fortbestehen des Leibes Christi(!) abzuwägen.
Was mich am Meisten dabei beschäftig ist, dass unser Gemeindebund ja die Vision hat "100 neue Gemeinden in 10 Jahren" zu gründen.

Teilen wir eigentlich diese Ansicht? Tragen wir selbst diese Vision im Herzen? Für Duisburg?

Und: Denken wir nicht im Stillen, diese neuen Gemeinden müssten von allein aus dem Boden schießen und strukturell und inhaltlich quasi Klone unserer Gemeinde sein?

Wer hat bei dieser Vision den Gedanken, dass eine neuzugründende Tochtergemeinde möglicherweise ganz anders sein könnte, als wir es -historisch gewachsen- sind.
Wer hat bei dieser Vision den Gedanken, dass es uns als Gemeinde betrifft, und dass wir selbst möglicherweise auf einige Leute/Mitarbeiter verzichten müssten, damit diese für eine solche Gründungsaufgabe frei werden?

Was wäre, wenn unsere Jugendlichen tatsächlich ein eigenes Gemeindeprojekt beginnen würden, und diese Arbeit tatsächlich wächst? Und wächst? Und... ?
Während wir als Gemeinde weiterhin die Altersgruppe der Eltern zu erreichen suchen und vielleicht weniger wachsen ...

Was wäre eher in Gottes Sinne?

Dies, oder der Stillstand, die Stagnation und letztendlich doch Regression des Reiches Gottes am Ort?

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