Habe ich die Tage noch in einem Artikel mit Sarkasmus auf den Beitrag bei Idea reagiert, der unter dem Titel "Helfen uns immer neue Bewegungen?" die Emerging Church für die Spendenproblematik traditioneller Institutionen, wie dem ERF, verantwortlich machte, so vergeht mir so langsam sogar das schwarze Lachen.
Inzwischen breitet Idea das Thema mit einem weiteren Artikel aus, der lautet:
Ist eine neue fromme Bewegung nötig?
Im Teaser dazu heißt es:
Sie gilt als die kommende evangelistische Bewegung in der USA: „Emerging Church“ (auf Deutsch: Aufkommende Kirche). Sie will neue Methoden in Mission und Botschaft praktizieren. Die nach Willow Creek zweite große US-Gemeindeerneuerungsbewegung fasst allmählich auch im deutschsprachigen Europa Fuß.
Diese Kurzdarstellung der Emerging Church als Noch-ein-Willow-Creek, welches "neue Methoden" praktizieren will, lässt mich nun wirklich mit einem enttäuschten Seufzer zurücksinken. Und eine innere Stimme fragt ständig: "Was soll das???"
Vielmehr noch, wenn ich parallel dazu in meinem Reader folgenden Idea-Artikel finde:
Bibel TV bekommt Konkurrenz
Die Tage wurde noch die Emerging Church beschuldigt, etablierten Institutionen -wie dem ERF- das Wasser abzugraben, und heute nun eine solche Schlagzeile. Ich frage mich also:
Ist ein weiterer christlicher TV-Sender nötig?
Und: Inwieweit graben sich Evangelisations-Werke gegenseitig die Spendengelder ab?
Als ehemaliger ehrenamtlicher Mitarbeiter und Ex-Vorstandsmitglied eines Vereines, welcher evangelistische Arbeit im Internet betreibt, weiß ich um die Grabenkämpfe, die teilweise auch mit harten Bandagen hinter den Kulissen evangelistischer Werke geführt werden.
Ein wenig zynisch muss man da wahrnehmen, wie in manchen christlichen Kreisen die Evolutionstheorie so starke Ablehnung erfährt, andererseits jedoch der Daseinskampf gemäß "survival of the fittest" in den Werken so plastisch demonstriert wird.
Betrachte ich die Institutionalisierung der Kirchen und Werke gegenüber den Bewegung(en), die sich rund um das Emerging-Label auftun, so erinnert mich das doch sehr stark an die Kämpfe und Debatten, die sich im Open-Source Software Umfeld abgespielt haben. Kann es sein, dass im Glaubenssektor "The Cathedral and the Bazaar"(1) eine Nachahmung erlebt?
Wann also werden wir lernen, Einrichtungen mit ihren Kompetenzen nicht auf Konkurrenzbasis, sondern auf Synergiebasis für das gemeinsame Ziel einzusetzen? Zu vernetzen statt Gebiete abzustecken? Zu verbinden statt zu erobern? Neue Gebiete zu entdecken und zu erforschen, statt um die bereits besetzten ständig zu kämpfen?
Denn an einer Stelle hat Idea ja recht: Deutschland ist Missionsland
(1) Leider ist die deutsche Übersetzung anscheinend nicht mehr verfügbar.
Achtung, Glosse!
Ein sehr interessanter Artikel erschien heute bei Idea Spektrum.
Interessant deshalb, weil drei sehr eigenartige Themen in einem genialen Rundumschlag miteinander vermischt werden.
1.) macht dieser Artikel darauf aufmerksam, dass etablierte diakonische Werke in die Krise geraten, weil ihnen die Spendengelder ausgehen. Das finde ich selbst auch recht bedenklich, gerade bei Einrichtungen, die wirklich am Puls der Not sind, wie das Weiße und das Blaue Kreuz.
2.) macht der Artikel plötzlich und unerwartet die EmergingChurch dafür verantwortlich und stellt sie als neue Bewegung hin, die den Traditionellen durch ihr Auftreten die Spendengelder abgräbt.
3.) kommt das Böse natürlich wieder mal aus den USA, dem pseudo-gläubigen Staat, der eine volkschristliche Fassade vorführt, und unter der Haube die böse Brut trägt, kommen doch aus den USA und dem gleich mit zu verurteilenden Großbritannien auch die Bestseller-Atheisten, die nun den deutschen Markt überschwemmen.
Also: Emerging Church, eine recht neue Bewegung, die im Wesentlichen aus vernetzten Bloggern und Websites, aus Studierenden oder Dozierenden oder im Gemeindedienst Praktizierenden besteht, keinerlei institutionellen Unterbau hat, und sich in Debatten mit theologischen Fragen und Gemeindeaufbau beschäftigt, wird plötzlich zum Finanz-Feind von etablierten diakonischen Einrichtungen und Werken !
Und man kann der Emerging Church sowieso nicht trauen, weil die Vorzeige-Atheisten kommen ja aus dem gleichen Kontinent!
Genial. Endlich verstehe ich die schwierigen geistlichen und weltlichen Zusammenhänge.
Das klingt wie: Seitdem es Philosophieunterricht an Schulen gibt, spenden weniger Leute Blut. Und Nietsche war sowieso böse.
Das Fazit ist dann wirklich "beeindruckend":
Vielleicht sollte sich deshalb manche US-Bewegung stärker auf das eigene Land konzentrieren. Und manche deutsche Gruppe, die sich nach geistlicher Erneuerung sehnt, könnte wieder einmal fragen, ob nicht auch die vorhandenen Erkenntnisse und Werke es wert wären, genutzt – und möglicherweise optimiert – zu werden.
Eigenartig, dass knapp davor noch folgende Kritik an der Emerging Church zu lesen war:
Andererseits: Es ist kaum eine wirklich neue Erkenntnis dabei gewesen.
Was denn nun, Herr Matthies? Erst sollen vorhandene Erkenntnisse genutzt werden, dann ist es plötzlich verwunderlich, dass nichts Neues dabei ist?
Nebenbei: "Ami go home" und "Kaufe deutsch" ist auch nicht gerade neu ... vielleicht sollten auch vorhandene Erkenntnisse mit diesen Sprüchen einmal wieder hervorgekramt werden?
Die Globalisierung (im Guten wie im Schlechten) scheint jedenfalls am Autor vorbeigegangen zu sein. Back to the National Roots.
Wie gut sich der Autor Herr Matthies in der ganzen Szene auskennt, zeigt auch folgender Satz:
Es ist sicher oft hilfreich, über den deutschen Tellerrand zu blicken, um Anregungen zu erhalten. Aber nimmt man eigentlich noch die Erkenntnisse der eigenen „Väter“ zur Kenntnis?
Nun, Herr Matthies, falls Sie sich einmal die Mühe machen, in die deutsche Blogosphäre rund um die Emerging Church Szene zu schauen, werden sie vielleicht überrascht feststellen, dass man dort tatsächlich Zitate und Abhandlungen zu den eigenen Vätern findet.
Wenn Sie sich dann weiter in das Thema einlesen, werden sie vielleicht auch feststellen, dass gerade auch die Wiederentdeckung verlorengegangener, wertvoller Traditionen ein Kennzeichen der Emerging Church Bewegung ist.
Und wenn Sie dann noch weiter schauen, entdecken Sie vielleicht sogar, dass die Leute hinter der deutschen Szene ständig kritisch danach fragen, ob und inwieweit die amerikanischen Aussagen für Deutschland gelten und hier überhaupt umsetzbar sind. (Übrigens: Genau das kennzeichnet eine Debatte oder "Konversation").
Und wenn ich im Artikel lese, dass gerade die jungen(!) Leute, die versuchen, Glauben und Leben in der zeitgenössischen Gesellschaft ganzheitlich und integrativ zu leben; die versuchen, Mission, Diakonie und authentisches Handeln nicht aus ihrem Leben auszuklammern, sondern viele der traditionellen Kanzel-Predigt-Worte auch tatsächlich umzusetzen, Schuld an der Spendenmüdigkeit der finanzstarken -meist älteren und in eben genau den traditionellen Gemeinden aufzufindenden- Generation sind, dann weiß ich nicht, ob für diesen Artikel überhaupt irgendetwas an Hintergrund recherchiert wurde.
Damit sinkt für mich IDEA einmal mehr auf das journalistische Niveau einer frommen Bildzeitung herab.
Kennst Du das? Man sitzt morgens im dumpfen Halbschlaf am Frühstückstisch, steht morgens semikonziös vor dem Spiegel, hängt eine halbe Stunde vor sich hin dämmernd in der S-Bahn herum, und dabei gehen einem ganz frei und locker diese Gedanken durch den Kopf. Je nach Stimmung und Wetterlage mal eher düstere Gedanken, mal ziemlich verrückte, mal kreative, mal analytisch-kritische, mal total unbedeutende...
Eines sind diese Gedanken nicht: sauber strukturiert, durchdacht, intentional. Sie gleichen mehr einer virtuellen Couch mit freier Assoziation.
Man ist noch viel zu dösig, als das der innere Wächter und Lenker, der mentale Spam- und Virusfilter sonderlich aktiv wäre und gleich alles auf seine Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit hin untersucht und aussortiert.
Unter dem Label Morgengedanken werde ich das ein oder andere, was mir so durch den Kopf geht, einfach mal aufschreiben. Mal sehen, was dabei herauskommt.
Warum werde ich sie hier aufschreiben?
Hmmm. Warum nicht?