Auf dem Blog Laut Gedacht hat M. über das Thema Wunder geschrieben. Als ich den Text gelesen habe, gingen so einige Gedanken bei mir los. Und die will ich hier einmal aufschreiben. Dieser Artikel ist keine Antwort, sondern ein eigener Gedankengang, angestoßen durch den Laut-Gedacht-Artikel. Ein Seitenweg quasi.
Hier meine Gedanken, roh geschreiben, daher in loser Folge.
1.) Der letzte Absatz ist gefährlich.
Die Aussage, Gott wirkt Wunder, wo es Menschen katastrophal schlecht geht, er wirkt keine (grossen) Wunder, wo es Menschen gut geht, da es ihnen ja auch ohnedem gut geht, sagt ja in letzter Konsequenz aus, dass wir Gott nicht brauchen, solange wir selber dafür sorgen, dass es uns gut geht:
Es ist unser Gesundheitssystem, unsere Wirtschaft, unser freiheitliches Rechtssystem, dass ein Wirken Gottes überflüssig macht.
Ist das so?
2.) Ein Problem ist, dass wir nur dann etwas als Wunder anerkennen, wenn etwas bestimmtes passiert. Für uns scheint es aber kein Wunder, dass etwas nicht passiert.
Von daher kann die Aussage "wir brauchen keine Wunder, da bei uns ja keine grösseren Katastrophen passieren" auch anders gesehen werden. Es ist vielleicht ein Wunder, dass bei uns keine grösseren Katastrophen passieren, da wir mit unseren Kernkraftwerken, Fabriken, Chemieproduktionen und Verkehrsaufkommen durchaus Potential für katastrophale Ereignisse haben.
3.) Fragen:
Wie passen in dieses Bild Flutkatastrophen in deutschen Grossstädten? (Hamburg, Dresden) http://www.elbelche.de/alt/flut/
... oder andere Katastrophen, die dann eben doch passieren?
Wenn Gott tatsächlich mit Wundern bei Katastrophen eingreift, warum greift er dann nicht vor den Katastrophen ein, so dass sie ausbleiben? (Gute Gegenfrage: Vielleicht tut er das auch,aber wie will man das wahrnehmen, wenn die Katastrophe ja eben nunmal ausbleibt?)
... oder: warum wirkt er nicht Wunder an allen Betroffenen, sondern nur an einzelnen?
(Gott, hab Dank, dass unsere Kinder nicht zum Zeitpunkt X bei der Loveparade waren ... ???)
Grundsatzfrage: Was ist überhaupt eine "Katastrophe"?
Ist das nicht a) eine sehr menschliche Sicht eines faktischen Ereignisses?
Gibt es b) nicht auch subjektive Katastrophen, die nicht unbedingt die Massen betreffen, aber im kleinen Kreis doch genug Not erzeugen, um ein Einwirken Gottes rechtfertigen zu können? Die private Katastrophe eben?
4.) Was ist eigentlich ein "Wunder"?
M. schrieb:"Auch wenn vieles in unserem Leben (wie Geburten, Nächstenliebe, unwahrscheinliche glückliche Zufälle, die Schöpfung usw.) doch sehr schön und faszinierend ist so sind es doch keine Wunder. "(Hervorhebung von mir)
Nun, zu sagen, die Schöpfung sei kein Wunder, steht auf wackligen Beinen. Wenn man sagt, dass Dinge wie Geburten kein Wunder sind, da sie ja nunmal natürlicher Teil der Schöpfung sind, so ist das nachvollziehbar.
"Die Schöpfung" selbst aber wäre demnach sogar automatisch ein "Wunder" da sie selbst eben nicht Teil ihrer selbst -der Schöpfung- sein kann.
Ich würde sogar sagen, wenn überhaupt irgend etwas ein Wunder ist, dann ist es genau die Existenz alles Existierenden an sich. Denn man kann nicht die Natur durch die Natur erklären, ohne in einen Zirkelschluss zu geraten.
Daneben hatte ich in der Vergangenheit schon den Eindruck bekommen, dass "glückliche Zufälle" durchaus "Wunder" im Sinne eines Eingreifens Gottes sein können.
Grund: H.P. Dürr beschreibt sehr schön die Zukunft als "Potentialität" der Gegenwart.
Als eine Menge von Optionen, wie die nächste Gegenwart, basierend auf der aktuellen Gegenwart, aussehen könnte.
Die aktuelle Gegenwart ist dann Quasi der Ereignishorizont, wo aus der Menge der potentiellen Gegenwarten die eine, die wir erleben, ensteht. Jeden Moment neu.
Und die Vergangenheit ist dann quasi "geronnene Potentialität". Der Fluss des Möglichen verfestigt sich zum Seienden und erstarrt zum Gewesenen.
Wenn aus der Menge der potentiellen Gegenwarten nun die entsteht, die eine bestimmte
Situation begünstigt, auch wenn die Wahrscheinlichkeit für dieses Eintreten relativ
gering (wenn auch nicht Null) ist, so kann dies durchaus daran liegen, dass Gott ein Gott des Möglichen, des Potentiellen ist.
(BTW: Viele Geschichten funktionieren genau so: Das nicht Unmögliche aber Unwahrscheinliche ist es, dass die Story weitertreibt. Ansonsten wird sie berechenbar und somit langweilig.
Und wir erleben nunmal His-Story).
So kann man durchaus atheistisch argumentieren, dass die Entstehung der Erde und des
Menschen nur ein Fall statistischer Wahrscheinlichkeiten in einem Universum mit den Gesetzmässigkeiten wie den unseren ist. Trotzdem kann man eben genau darin ein Göttliches Handeln (=Wunder) sehen, dass dieses Universum mit seinen Gesetzmässigkeiten und Potentialitäten überhaupt existiert, und dass ein nicht unmöglicher, aber unwahrscheinlicher Fall überhaupt eingetreten ist.
Hier aber kommen wir an ein weiteres philosophisches Problem:
Die Wahrscheinlichkeit, dass genau unsere Welt existiert ist ggf. sehr sehr klein, aber die Wahrscheinlichkeit, dass eine ähnlich geartete Welt existiert, vielleicht nicht mehr so. Würden wir nun in einer der anderen möglichen Welten leben, so würden wir vielleicht genau diese als ein Wunder ansehen.
Ist es nun also nur dann ein Wunder, wenn beim Würfelspiel eine Sieben erscheint? (Also: Außerhalb der Gesetzmäßigkeiten)
Aber ist es kein Wunder, wenn eine Fünf genau dann erscheint, wenn man sie so dringend braucht? Der Statistiker würde letzteres Verneinen. Kein Wunder, sondern nur glückliches Zusammentreffen. Aber wenn Gott ein Gott der Möglichkeiten ist, und ein gering wahrscheinliches Ereignis trotzdem zielsicher passieren lässt, wäre das dann weniger göttlich?
Ich glaube nicht. Es gäbe noch mehr dazu zu sagen, doch dazu reicht dieser Artikel nicht.
Soweit zum Thema Wunder an sich. Noch ein weiterer Punkt:"Man glaubt an einen übernatürlichen Gott und irgendwie sucht dennoch nach immer mehr Übernatürlichkeit. Die Motive dafür sind sehr verschieden. Manchmal habe ich das Gefühl man sucht eine Art persönliches Gottesbeweis und hofft dadurch die Zweifel auslöschen zu können"
Dieser Aspekt geht ggf. noch tiefer:
Die Frage nach der RELEVANZ des Glaubens.
Wenn es einen Gott gibt, aber er greift in diese Welt nicht ein, dann hat er für mein Leben offensichtlich keine Relevanz, und der Glaube somit auch nicht. Es macht keinen Unterschied, ob ich glaube oder nicht. Ob ich bete oder nicht. Wenn Glaube aber Sinn machen soll, dann sollte die Relevanz auch erkennbar, erfahrbar sein.
Und"Gott erwirbt sich unser Vertrauen, dadurch, dass wir das Wagnis des Vertrauens eingehen und jedes mal neu feststellen, dass es sich gelohnt hat. Vertrauen wächst. Vertrauen ist nicht einfach da, weil ich einen kurzen Moment lang etwas erlebt habe."
Genau darum geht es aber doch.
Frage: Wodurch "stellen wir" es denn "fest", dass es sich gelohnt hat?
Dadurch, dass ein Gebet nicht erhört wurde?
Dass ein geliebter Mensch eine Katastrophe doch nicht überlebt hat (der böse Nachbar aber schon)?
Dass eben KEIN Wunder geschehen ist?
Hier wird es kritisch: Worauf soll ich vertrauen, wenn ich mich auf nichts verlassen kann? Sich nichts als vertrauenswürdig erweist?
So halte ich den Versuch, zumindest auf lange Sicht einen Sinn, eine (gute!) Absicht in den Dingen zu erkennen, schon durchaus für gerechtfertigt. Und das "Wunder" bezieht sich dann auf die großen Zusammenhänge. Das Wunder "Schicksal" eben. Wenn diese Zusammenhänge nicht irgendwann sichtbar werden, woran soll man sich dann halten?
Vertrauen -und damit Glauben- wird schon geprägt und gestärkt durch genau die Erfahrung, dass sich das auch lohnt. Dass man nicht als Betrogener dasteht. Alleingelassen.
Die Frage nach "Wunder" hat somit in meinen Augen schon durchaus seine Berechtigung.
Soweit mal vom MentalRover
2010-08-29
Wunder ...
2010-08-09
Morgengedanken: Das Gewebe des Lebens
Ein grüner Faden in einem roten Teppich ist bedeutungslos.
Erst viele grüne Fäden in einem roten Teppich werden wahrgenommen. Haben die Chance, Strukturen herauszubilden, Muster. Vielleicht sogar Muster mit Bedeutung.
Die Entscheidungen jedes Einzelnen, zu reden oder nicht zu reden, zu handeln oder nicht zu handeln, haben Einfluss auf seine Umgebung. Auf seine Mitmenschen. Setzen Impulse, oder nicht. Bringen andere dazu, zu reden oder nicht zu reden, zu handeln oder nicht zu handeln, eigene Entscheidungen zu treffen. Aktion führt zu Reaktion führt zu Reaktion führt zu Reaktion.
So sind wir alle Fäden in einem Gewebe. Fäden mit unterschiedlichen Farben. Jede Entscheidung, jede Aktion oder Nicht-Aktion hat Einfluss auf die Umgebung, und somit auf das Gesamtbild.
Zu jedem Zeitpunkt bildet die Summe aller Entscheidungen, aller Aktionen oder Nicht-Aktionen, Strukturen aus. Muster. Und diese Strukturen und Muster verbinden sich zu übergeordneten Strukturen und Mustern, zu Formen, bis sich schließlich das Gesamte zu einer Gesamtstruktur vereint. Die übergeordnete Gestalt des Seins formt sich heraus.
Gestalt des Seins vor dem Hintergrund des Nicht-Seins.
Jede Generation bildet die Basis, das Fundament, auf dem die nächste Generation heranwächst. Entscheidungen, Aktionen und Nicht-Aktionen bestimmen, welche Werte, welche Anlagen, welche Vorlagen wir der nächsten Generation als Grundlage ihrer Entscheidungen mit auf den Weg geben.
Die Welt ist im Wandel. Jede Generation trifft neue Entscheidungen, neue Aktionen und Nicht-Aktionen. Mit jeder Generation verändert sich das Gesamtbild, die Gesamtstruktur über die Zeit. Das Gebilde unterliegt insgesamt einer Evolution.
So wie ein Faden einen Anfang und ein Ende hat, so hat unser Leben ein Anfang und ein Ende.
Und ist doch Teil des Gesamtgewebes namens Leben.
Nicht nur zu einer Zeit, sondern über die Zeiten hinweg betrachtet, bildet das Leben ein Gesamtgebilde. Eine Struktur aus Strukturen der einzelnen Zeiten. Eine Über-Gestalt.
Auch wenn ein Leben nur 80 Jahre dauert, in einer Flut von Tausenden von Jahren, in einem See von Milliarden Individuen pro Generation. So ist doch jedes einzelne Leben ein Faden, der Teil des gesamten Gewebes ist, und mit zum Muster beiträgt.
Und das gesamte Muster mag mehr sein, als eine Ansammlung von Strukturen. Es mag Form haben, mag eine Gestalt bilden. Und mit dieser Gestalt auch Bedeutung.
Vielleicht ist ein Leben wenig bedeutsam, im Vergleich zur Menge an Menschen in der Welt, zu allen Zeiten. Aber jedes Leben ist doch Teil der gesamten Gestalt und trägt dazu bei.
Ein Atom für sich mag unwichtig sein. Aber alle Atome zusammen sind bedeutsam, bilden Körper, Wesen, mich.
Wenn es keine Atome gäbe, gäbe es mich nicht. Die Gesamtheit aller Leben, die wir leben, bildet die Gestalt des Lebens aus. Ein Leben mag für sich betrachtet wenig bedeutsam sein, aber wenn alle Leben bedeutungslos wären, gäbe es die Gesamtstruktur nicht. In der Gesamtstruktur liegt die Bedeutung des Einzelnen. Es geht ums Ganze.
Das Wissen um diese Zusammenhänge könnte unsere Entscheidungen, unsere Aktionen und Nicht-Aktionen beeinflussen. Wo bekommen wir dieses Wissen gelehrt? Sind wir in der Lage, es zu verstehen? Sind wir in der Lage, damit umzugehen? Oder macht es uns hilflos, sind wir überfordert? Resignieren wir?
Wer bin ich? Als Einzelner. In meinem sozialen Umfeld. Auf der Arbeit. In der Gemeinde. In den Beziehungen, in denen ich lebe.
Wer sind wir als Gemeinde? In unserem sozialen Umfeld. Unserer Stadt. Unserem Land. In den Beziehungsstrukturen, die wir leben. Oder auch nicht leben. Gestalten oder auch nicht gestalten.
Kontrollieren, oder einfach nur geschehen lassen.
Der Faden im Teppich weiß nichts von dem Muster, was er selbst mit bildet. Er kann es nicht erfahren. Nicht erfassen. Selbst das Wissen, Teil einer größeren Struktur zu sein, würde nicht helfen. Die Struktur zu Erfassen würde bedingen, sie zu verlassen. Aus ihr aufzusteigen und sie von außen wahrzunehmen. So bleibt es: Das Gewebe des Lebens können wir trotz aller Philosophie und Theologie nie wirklich begreifen. Unser Sein, unser Erleben ist mehr, als wir begreifen können. Hier steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.
Gibt es einen Gott? Wenn ja, dann ist diese Wesenheit außerhalb des Gewebes namens Leben. Außerhalb der Gestalt, die unser aller Sein bildet.
Und damit ist sie erst recht unfassbar. Unbegreifbar. Jeglicher Versuch, sie zu verstehen muss zwangsläufig und unbedingt scheitern.
Alle unsere Versuche, über diese Wesenheit zu reden, sie in Worten darzustellen, müssen zwangsläufig weitaus zu kurz greifen. Sie sind lediglich Metaphern. Angepasst auf unseren Verstehenshorizont. Gedankenmodelle. Und armselige noch dazu.
Doch wo bekommen wir das überzeugend und begreifbar vermittelt? Wo werden uns klar und logisch die Grenzen des Verstehens gelehrt? Ich weiß, dass ich nicht weiß. Ich kenne mein Nichtwissen.
Viel zu oft verwechseln wir die Metaphern, die Gedankenmodelle, mit der Realität. Glauben, wir hätten die Wesenheit vollständig erfasst. Dann "wissen" wir plötzlich so viel. Wir "wissen", wie das Leben ist, wie Gott ist, wer wir sind, worum es geht, was zu tun ist und was zu lassen ist.
Und in diesem Moment entfernen wir uns weiter denn je von der Realität. Der göttlichen Wahrheit. Und wir merken es nicht einmal. Denn das Wissen um die eigenen Lücken und Grenzen setzt zunächst erstmal Wissen voraus. Aber anstatt nach dem Wissen zu streben, sind wir viel zu oft mit unseren Vermutungen und Phantasien zufrieden.
Wo bekommen wir gesundes Wissen gelehrt? Wo finden wir das, was in früheren Zeiten als Weisheit bezeichnet wurde? Das, was die Gesamtheit in den Blick nimmt und sich Zeit und Ruhe für Wahrnehmungen und Entscheidungen lässt? Nicht überhastet, nicht überlastet, nicht überstürzt? Nicht zu kurz greift, blind, mit Scheuklappen?
Quergedachte Gedanken - vertikal erhoben - der Blick frei - über den Tellerrand - zu neuen Horizonten
Erst viele grüne Fäden in einem roten Teppich werden wahrgenommen. Haben die Chance, Strukturen herauszubilden, Muster. Vielleicht sogar Muster mit Bedeutung.
Die Entscheidungen jedes Einzelnen, zu reden oder nicht zu reden, zu handeln oder nicht zu handeln, haben Einfluss auf seine Umgebung. Auf seine Mitmenschen. Setzen Impulse, oder nicht. Bringen andere dazu, zu reden oder nicht zu reden, zu handeln oder nicht zu handeln, eigene Entscheidungen zu treffen. Aktion führt zu Reaktion führt zu Reaktion führt zu Reaktion.
So sind wir alle Fäden in einem Gewebe. Fäden mit unterschiedlichen Farben. Jede Entscheidung, jede Aktion oder Nicht-Aktion hat Einfluss auf die Umgebung, und somit auf das Gesamtbild.
Zu jedem Zeitpunkt bildet die Summe aller Entscheidungen, aller Aktionen oder Nicht-Aktionen, Strukturen aus. Muster. Und diese Strukturen und Muster verbinden sich zu übergeordneten Strukturen und Mustern, zu Formen, bis sich schließlich das Gesamte zu einer Gesamtstruktur vereint. Die übergeordnete Gestalt des Seins formt sich heraus.
Gestalt des Seins vor dem Hintergrund des Nicht-Seins.
Jede Generation bildet die Basis, das Fundament, auf dem die nächste Generation heranwächst. Entscheidungen, Aktionen und Nicht-Aktionen bestimmen, welche Werte, welche Anlagen, welche Vorlagen wir der nächsten Generation als Grundlage ihrer Entscheidungen mit auf den Weg geben.
Die Welt ist im Wandel. Jede Generation trifft neue Entscheidungen, neue Aktionen und Nicht-Aktionen. Mit jeder Generation verändert sich das Gesamtbild, die Gesamtstruktur über die Zeit. Das Gebilde unterliegt insgesamt einer Evolution.
So wie ein Faden einen Anfang und ein Ende hat, so hat unser Leben ein Anfang und ein Ende.
Und ist doch Teil des Gesamtgewebes namens Leben.
Nicht nur zu einer Zeit, sondern über die Zeiten hinweg betrachtet, bildet das Leben ein Gesamtgebilde. Eine Struktur aus Strukturen der einzelnen Zeiten. Eine Über-Gestalt.
Auch wenn ein Leben nur 80 Jahre dauert, in einer Flut von Tausenden von Jahren, in einem See von Milliarden Individuen pro Generation. So ist doch jedes einzelne Leben ein Faden, der Teil des gesamten Gewebes ist, und mit zum Muster beiträgt.
Und das gesamte Muster mag mehr sein, als eine Ansammlung von Strukturen. Es mag Form haben, mag eine Gestalt bilden. Und mit dieser Gestalt auch Bedeutung.
Vielleicht ist ein Leben wenig bedeutsam, im Vergleich zur Menge an Menschen in der Welt, zu allen Zeiten. Aber jedes Leben ist doch Teil der gesamten Gestalt und trägt dazu bei.
Ein Atom für sich mag unwichtig sein. Aber alle Atome zusammen sind bedeutsam, bilden Körper, Wesen, mich.
Wenn es keine Atome gäbe, gäbe es mich nicht. Die Gesamtheit aller Leben, die wir leben, bildet die Gestalt des Lebens aus. Ein Leben mag für sich betrachtet wenig bedeutsam sein, aber wenn alle Leben bedeutungslos wären, gäbe es die Gesamtstruktur nicht. In der Gesamtstruktur liegt die Bedeutung des Einzelnen. Es geht ums Ganze.
Das Wissen um diese Zusammenhänge könnte unsere Entscheidungen, unsere Aktionen und Nicht-Aktionen beeinflussen. Wo bekommen wir dieses Wissen gelehrt? Sind wir in der Lage, es zu verstehen? Sind wir in der Lage, damit umzugehen? Oder macht es uns hilflos, sind wir überfordert? Resignieren wir?
Wer bin ich? Als Einzelner. In meinem sozialen Umfeld. Auf der Arbeit. In der Gemeinde. In den Beziehungen, in denen ich lebe.
Wer sind wir als Gemeinde? In unserem sozialen Umfeld. Unserer Stadt. Unserem Land. In den Beziehungsstrukturen, die wir leben. Oder auch nicht leben. Gestalten oder auch nicht gestalten.
Kontrollieren, oder einfach nur geschehen lassen.
Der Faden im Teppich weiß nichts von dem Muster, was er selbst mit bildet. Er kann es nicht erfahren. Nicht erfassen. Selbst das Wissen, Teil einer größeren Struktur zu sein, würde nicht helfen. Die Struktur zu Erfassen würde bedingen, sie zu verlassen. Aus ihr aufzusteigen und sie von außen wahrzunehmen. So bleibt es: Das Gewebe des Lebens können wir trotz aller Philosophie und Theologie nie wirklich begreifen. Unser Sein, unser Erleben ist mehr, als wir begreifen können. Hier steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.
Gibt es einen Gott? Wenn ja, dann ist diese Wesenheit außerhalb des Gewebes namens Leben. Außerhalb der Gestalt, die unser aller Sein bildet.
Und damit ist sie erst recht unfassbar. Unbegreifbar. Jeglicher Versuch, sie zu verstehen muss zwangsläufig und unbedingt scheitern.
Alle unsere Versuche, über diese Wesenheit zu reden, sie in Worten darzustellen, müssen zwangsläufig weitaus zu kurz greifen. Sie sind lediglich Metaphern. Angepasst auf unseren Verstehenshorizont. Gedankenmodelle. Und armselige noch dazu.
Doch wo bekommen wir das überzeugend und begreifbar vermittelt? Wo werden uns klar und logisch die Grenzen des Verstehens gelehrt? Ich weiß, dass ich nicht weiß. Ich kenne mein Nichtwissen.
Viel zu oft verwechseln wir die Metaphern, die Gedankenmodelle, mit der Realität. Glauben, wir hätten die Wesenheit vollständig erfasst. Dann "wissen" wir plötzlich so viel. Wir "wissen", wie das Leben ist, wie Gott ist, wer wir sind, worum es geht, was zu tun ist und was zu lassen ist.
Und in diesem Moment entfernen wir uns weiter denn je von der Realität. Der göttlichen Wahrheit. Und wir merken es nicht einmal. Denn das Wissen um die eigenen Lücken und Grenzen setzt zunächst erstmal Wissen voraus. Aber anstatt nach dem Wissen zu streben, sind wir viel zu oft mit unseren Vermutungen und Phantasien zufrieden.
Wo bekommen wir gesundes Wissen gelehrt? Wo finden wir das, was in früheren Zeiten als Weisheit bezeichnet wurde? Das, was die Gesamtheit in den Blick nimmt und sich Zeit und Ruhe für Wahrnehmungen und Entscheidungen lässt? Nicht überhastet, nicht überlastet, nicht überstürzt? Nicht zu kurz greift, blind, mit Scheuklappen?
Quergedachte Gedanken - vertikal erhoben - der Blick frei - über den Tellerrand - zu neuen Horizonten
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